Mein Hamburg: Ursula Richenberger

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Ursula Richenberger, Projektleiterin für das neue Deutsche Hafenmuseum

Die Schweizerin Ursula Richenberger ist schon als Kind nach Rendsburg gekommen, hat in Lüneburg Kulturwissenschaften studiert und bei unterschiedlichen Kulturinstitutionen gearbeitet wie beim Schleswig-Holstein-Musikfestival oder im Altonaer Museum. 2013 hat sie die Leitung des Hafenmuseums im Schuppen 50a übernommen. Nun ist sie Projektleiterin für das Deutsche Hafenmuseum, das mit Hilfe einer 120 Millionen-Euro-Förderung vom Bund inklusive der Restaurierung des Segelfrachters Peking in Hamburg neu entstehen soll – genau der richtige Job für eine, deren Herz fürs Museum schlägt.

Sie sind in Zürich geboren, gefällt Ihnen die Hamburger Mentalität?

Gefühlt ist das immer noch meine Heimat, obwohl ich schon mit neun Jahren nach Rendsburg gekommen bin. Den Kulturschock habe ich überlebt. Mit liegt der Menschenschlag, mittlerweile auch die Landschaft. Hamburg ist eine großartige Stadt, um Kultur zu machen. Mit dem Hafen habe ich für mich eine besondere Art von Industrie entdeckt. Hamburg entwickelt sich zur Wissenschaftsstadt, zur digitalen Stadt, und es gibt noch ein paar andere Schwerpunkte, aber ich assoziiere die Stadt nicht nur aus der Historie heraus unbedingt mit dem Hafen.

Hamburg soll ein neues Hafenmuseum bekommen. Sie haben die Projektleitung übernommen.

Bisher habe ich das kleine Hafenmuseum im Schuppen 50 a geleitet. Das lebt davon, dass sich dort 150 Menschen ehrenamtlich einbringen, die zum Teil einmal im Hafen gearbeitet haben. Da ging es um eine intensive Kommunikation miteinander, darum Tätigkeiten zu moderieren, Veranstaltungen vorzubereiten, den Schuppen als öffentlichen Ort zu etablieren, also von der Organisation der Toilettenpapierrolle bis zur großen Frage, wen wollen wir ansprechen. Jetzt als Projektleiterin für das neue Deutsche Hafenmuseum, geht es um die Chance, ein Museum fürs 21. Jahrhundert zu entwickeln, nicht als Elfenbeinturm, in dem ein allwissender Kurator seine Idee ausstellt, sondern als offener Ort für alle, mit Freiflächen, die ohne Eintrittsgeld zu begehen sind, und einem Museumsgebäude, das Menschen für sich entdecken, zu dem sie eine Beziehung entwickeln können.

 

Wie weit sind denn die Planungen?

Wir werden zwei Standorte bespielen. Das Projekt Deutsches Hafenmuseum  ist gefördert worden, ohne dass eine grüne Wiese im Hafen zur Verfügung stand. Der Hafen ist ein Wirtschaftsort, an dem viel Geld verdient wird. Deshalb sind Entscheidungen über den Standort schwierig. Aktuell haben wir einen Vorbescheid, den Schuppen 50 a, in dem sich das jetzige Hafenmuseum befindet, um den Anteil am Gebäude zu vergrößern, der zurzeit noch von einer Spedition genutzt wird, und für eine ganzjährige Nutzung weiterzuentwickeln. Außerdem ist dort eine Pontonanlage für den Segelfrachter Peking geplant. Wir wollen diesen alten authentischen Ort bewahren. Während es hier darum geht, die Arbeitswelt im Hafen in ihrer Historie erlebbar zu machen, soll es in einem Neubau um das Thema Welthandel und Globalisierung am Beispiel des Hafens gehen.

Welche Bereiche wird das Museum ansprechen?

Wie wollen beispielsweise aufzeigen, warum Textilien in Südostasien hergestellt und mit dem Schiff hierhergebracht und nicht in Hamburg oder Winsen an der Luhe produziert werden, welche Folgen das kulturell, sozial und gesellschaftlich hat, was es mit unseren Kaufentscheidungen und unserer Lebenswirklichkeit zu tun hat, wie es historisch entstanden ist und wie es die aktuelle Situation bestimmt. Es soll um die Rolle des Welthandels gehen: für unsere Demokratie, für unsere Freiheit, aber auch bei Verarmung, Ausbeutung und der Ursache für Migration. Auch den Kolonialismus werden thematisieren und die ungleichen Machtverhältnisse offenlegen. Diese ganze Thematik braucht aus meiner Sicht einen neutralen Ort, an dem man auch mit filigranen Objekten arbeiten kann und klimatisierte Räume möglich sind.

Steht der Ort dafür nun fest?

Beim Schuppen 50a ist leider kein Platz. Das Museum kann auf dem Grasbrook entstehen, als Teil eines neuen Stadtteils, den die HafenCity Hamburg GmbH als Brücke zwischen der Hafencity und der Veddel sowie Wilhelmsburg entwickelt. Wir hoffen, 2025 eröffnen zu können. Natürlich wollen wir die beiden Standorte auf dem Wasserweg mit dem öffentlichen Nahverkehr anbinden. Dafür versuchen wir, die HADAG ins Boot zu holen. Zusätzlich wünschen wir uns eine direkte Barkassenanbindung, die eventuell die Maritime Circle Line erweitert, um all die Orte, auch das Internationale Maritime Museum und den Museumshafen Oevelgönne, gemeinsam nach vorne zu bringen.

Wie sind Sie eigentlich zur Museumsarbeit gekommen?

Ich habe im Studium mein Herz für diesen Ort entdeckt. Beim Altonaer Museum habe ich schon als studentische Hilfskraft gearbeitet, später dann freiberuflich Fotoausstellungen kuratiert. Ich habe mich zwar zunächst in unterschiedlichen Kulturbereichen ausprobiert, bin dann aber doch beim Museum geblieben. Hier führen alle Kulturäußerungen zusammen. Man kann Ausstellung machen und über Veranstaltungen sehr viel parallel dazu entwickeln, Konzerte, Lesungen, Mitmachangebote, Festivitäten. Das Museum ist für mich als Gebäude ein großartiger Ort, der ganz unterschiedlichen Perspektiven auf ein Thema eröffnet.

Als Sie die Leitung des Hafenmuseums übernahmen, sind Sie da nicht auch in eine richtige Männerdomäne eingedrungen?

Als ich anfing, hatte ich keine Ahnung vom Metier Hafen. Aber die ehrenamtlichen alten Herren im Hafenmuseum haben mir vieles beigebracht. Im Museum gibt es viele Frauen in Führungspositionen. Ganz anders ist es im Hafen, da ist auch heute noch vieles in männlicher Hand. Aber es ist  langsam im Umbruch, denn auch dort sind immer mehr kommunikative Fähigkeiten erforderlich. Die Hafenwirtschaft öffnet sich, muss als moderner Arbeitgeber überzeugen, auch Auszubildende. Die Buddy-Kultur gibt es nach wie vor, etwa per Handschlag Dinge zu vereinbaren, inzwischen aber auch mit Frauen. Mit Angela Titzrath hat die  HHLA  zum Beispiel jetzt eine Chefin.

 

Trifft sich die museale Betrachtung des Hafens denn mit der Realität?

Es geht um den Vergleich zwischen der Stückgutzeit, die in der Ausstellung zu sehen ist, mit der heutigen Containerzeit und mit den Herausforderungen der Zukunft, etwa wie groß ein Schiff noch werden kann oder was der 3-D-Druck für den internationalen Austausch von Waren bedeutet. Aufgabe des Hafenmuseums ist auch, ein Bewusstsein für die Veränderungen der Arbeitswelt zu wecken. In Kürze bekommt das Museum einen sogenannten AGV, ein Atomatic Guided Vehicle. Das war der wesentliche Schritt für die Automatisierung beim Terminal Altenwerder – und für den Abbau von Arbeitsplätzen, denn der Containertransport wurde dort nun ohne Menschen durch Induktionsschleifen im Boden gesteuert. Diesen wichtigen Schritt der Automatisierung wollen wir später im Museum zeigen, denn die erste Genration der Maschinen wird gerade jetzt nach zehn Jahren aussortiert. Von dreißig Hafenberufen ist nur einer übrig geblieben, die Fachkraft für Hafenlogistik. Jetzt befinden wir uns mit der Digitalisierungen in einer ähnlichen Umbruchphase wie damals 1968, als das erste Containerschiff nach Hamburg kam

Wie sieht für Sie das Museum der Zukunft aus?

Das Museum der Zukunft muss sich für sein Publikum zu einem Servicecenter öffnen. Der Schüler, der kleine Hobbyforscher oder der Highend-Wissenschaftler sollten dort recherchieren und forschen können. Es müsste eine zugängliche Bibliothek geben, ein Internetcafé und digitale Angebote, die von überall abrufbar wären. Gleichzeitig sollte es ein sehr gegenwärtiger Ort sein, der immer wieder Ausstellungen präsentiert, die am Puls der Zeit sind und aktuelle Fragestellungen mit Blick in die Vergangenheit erklären, und der auch museumsferne Menschen zum Mitmachen einlädt.

Wie sind denn Hamburgs Museen für die Zukunft aufgestellt?

In den Hamburger Museum geht es oft noch sehr klassisch zu. Wir müssen sie mehr fürs Publikum öffnen. Erste Ansätze gibt es bereits, zum Beispiel im Völkerkundemuseum, dass sich gerade neu aufstellt.

Welche Zukunftswünsche haben Sie für Hamburg?

Die Hafenwirtschaft stellt in ihrem Marketing heraus, wie großartig der Hamburger Hafen ist. Da ist die Kultur viel zu zurückhaltend. Wir haben eine großartige Theaterszene, wunderbare Kinos, ein großartiges Literaturhaus und eine tolle Klubkultur, von der Elbphilharmonie ganz zu schweigen. Und das, obwohl alle mit angezogener Handbremse arbeiten, weil das Geld nicht reicht. Es wäre wichtig, wenn die Politik stärker wertschätzten, dass die Kultur die Gesellschaft zusammenhält, der Stadt Touristen bringt, für Mitbürger und Mitbürgerinnen Anreize schafft, sich mit unterschiedlichsten Fragestellungen zu beschäftigen, und Möglichkeiten bietet, Fremde und Geflüchtete gut zu integrieren.

Wenn Sie Zeit haben, wohin zieht es Sie privat in Hamburg?

Ich mache gerne Fahrradtouren, an der Elbe entlang oder in Industriebrachen. Viele meiner Lieblingsplätze haben tatsächlich mit dem Hafen zu tun. Es gibt an der Köhlbrandbrücke so einen verwunschenen Ort, von dem man wunderbar auf den Hafen schauen kann. Ich mag auch Entenwerder. Von dort kann man den Binnenschiffen zu sehen. Hamburg ist schließlich ja auch der drittgrößte Binnenhafen Deutschlands. Der Verkehr auf der Elbe ist ein wichtiger Bestandteil für den Erfolg des Hamburger Hafens. Die Geschichte der deutschen See- und Binnenhäfen wird ebenfalls ein Thema des Hafenmuseums sein. Aber ich verreise auch gerne, einmal im Jahr vier Wochen am Stück, gerne als Backpacker nach Asien oder Südamerika, um Menschen und Kultur kennenzulernen. Das hilft mir sehr abzuschalten, aber auch neue Perspektiven für meine Arbeit zu bekommen.

Hätten Sie auch Lust auf eine Schiffsreise?

Ich finde es toll an Bord eines Schiffes zu sein, das Maschinengeräusch zu hören, den schwankenden Boden unter den Füßen zu haben, mich selbst infrage zu stellen und mal von der Wasserseite aufs Land zu gucken. Allerdings sind Kreuzfahrtschiffe, U-Boote oder Marineschiffe nichts für mich. Ich würde ein Containerschiff oder Segelfrachtschiff bevorzugen.

Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat oder Lieblingsschnack?

Das Machen bringt das Denken voran, denn trotz allem Abwägen muss man auch in Gang kommen und darf nicht nur auf dem Papier bleiben. Deshalb ist mir wichtig, für das Deutsche Hafenmuseum nun schnell ein Infozentrum einzurichten, um in die Diskussion einzusteigen und langsam konkreter zu werden, etwa beim Aussehen des Gebäudes und bei den Inhalten, also hemdsärmelig loszulegen.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Titelfoto: Ursula Richenberger vor der Kranallee © Stiftung Historische Museen Hamburg / Sinje Hasheider
Foto: Ewer Herrmann im Schaudepot des Hafenmuseums Hamburg © Stiftung Historische Museen Hamburg / Sinje Hasheider
Foto: Portalkräne © Stiftung Historische Museen Hamburg / Sinje Hasheider

4. Juli 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg informiert, Mein Hamburg, Wissensdurst

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2 Kommentare
  1. Wolfgang Schmidt 2 Jahren her

    ich habe heute, 09.11.2021, an einen Vortrag über das Entstehen des Deutsche Hafenmuseums von Frau Richenberger teilnehmen dürfen, ja dürfen! ich bin und war begeistert. So viel „Herzblut“ und Fachkompetenz in einer Person, unschlagbar. Ein Museum der Begegnung mit Auseinandersetzung von aktuellen Themen zu schaffen und zu platzieren, Chapeau! Das Braucht mein Hamburg, viel Erfolg!!

  2. Melanie Samsel 2 Jahren her

    Vielen Dank für das Interview! Es ist sehr interessant, dass in dem Museum auch auf zukünftige Aspekte eingegangen wird. Ich frage mich auch, wie die Zukunft des Containertransports aussehen wird, besonders da es in der Branche ja aktuell besonders bei Schiffen Probleme gibt. Es ist auf jeden Fall spannend, was einen da so erwarten wird – an 3D-Druck als Einfluss auf internationalen Handel habe ich überhaupt nicht gedacht.

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