Er wollte immer schreiben. Doch der große Durchbruch als Autor blieb lange aus. Erst mit einem Buch über den Kiez in der Nachkriegszeit hatte Konrad Lorenz endlich Erfolg.
Mitunter zieht es ihn wieder zurück an die Stätte seiner Kindheit. Zurück zum Hein-Köllisch-Platz, der früher einmal Pauls-Platz hieß. Zurück auf den Kiez, zu Orten, die nicht mehr dieselben sind wie in den 50er Jahren. Keine Straßenbahn mehr, die vorbei rumpelt. Keine betrunkenen Seeleute mehr. Und auch keine Prostituierten, mit denen sich der junge Konrad Lorenz auch schon mal eine Schneeballschlacht erlaubt oder locker geplaudert hat.
„Wir sind damals ja nicht aufgeklärt worden“, erinnert sich der 72-Jährige. „Meine Mutter hat immer gesagt, die Frauen sind Tänzerinnen.“ Und wenn er habe wissen wollen, warum die hin und wieder mit einem Mann verschwinden, hieß es nur: „Die bringen dem das Tanzen bei.“ Irgendwann hat Lorenz dann begriffen, was da oben auf den Zimmern wirklich getanzt wird.
Vom Kiez auf die Weltmeere
Prostituierte stehen nicht mehr auf dem Platz, sie sind ein paar Straßen weiter gezogen. Auch Lorenz ist nach seiner Ausbildung zum Maschinenbauer nicht geblieben. Er fuhr zur See. Vier Jahre heuerte er auf verschiedenen Schiffen an, dann zog es ihn wieder an Land. Er schloss das Studium als Allgemeiner Maschineningenieur ab und arbeitete fortan auf Werften. Mit 55 Jahren ging Lorenz in Pension und freute sich darauf, sich endlich voll seiner Leidenschaft widmen zu können – dem Schreiben.
Der Hein-Köllisch-Platz liegt abseits des großen der Reeperbahn und des großen Trubels.
Dass er in den ersten Monaten seines Ruhestands erst einmal in ein „tiefes Loch“ fallen würde, damit freilich hatte Lorenz nicht gerechnet: „Es passierte überhaupt nichts mehr.“ Er musste sich quasi neu erfinden, um die Schreibblockade zu lösen und begann, als Puppenspieler und Pfannenkuchenbäcker in Kindergärten für fröhliche Gesichter zu sorgen. Und irgendwann seien sie dann wieder präsent gewesen in seinem Kopf, die Stimmen von damals, aus seinen Kinder- und Jugendtagen.
„What a wonderful world“ als Lieblingslied
„Zu Weihnachten haben wir mit der Familie immer Julklapp gespielt. Jeder sollte ein persönliches Geschenk mitbringen“, erzählt Lorenz. „Also habe ich eine Weihnachtsgeschichte über die damalige Zeit geschrieben. Das ist so gut angekommen, dass ich sie später zum ersten Kapitel meines Buches Rohrkrepierer gemacht habe.“
Das Werk ist 2011 erschienen. Und es hat Lorenz zumindest in Hamburg zu einiger Berühmtheit verholfen.
Seine Vorlesungen führen ihn hin und wieder zurück nach St. Pauli. An manchen Tagen ist Lorenz auch als Mitglied der „Tüdelboys“ unterwegs, die sich rühmen darf, Hamburg älteste Boygroup zu sein. Eigentlich gibt er Anekdoten aus seinem Buch zum Besten, aber während eines Auftritts hat er einmal Louis Armstrong interpretiert. Seitdem wisse er, dass er ja auch singen kann. „What a wonderful world“ ist sein Lieblingslied, ausgerechnet.
An diesem Nachmittag ist nicht nur der Kiez ein heißes Pflaster. Die Sonne brennt gnadenlos auf Hamburg hinab. Dennoch lädt Lorenz zu einem kleinen Rundgang ein, vorbei an der ehemaligen Kneipe „Zur Kuhwerder Fähre“ von „Tante Hermine“. „Damals ein Ort für Seeleute, aber auch der erste Szenetreff in Hamburg“, sagt Lorenz. Heute erinnert ein Schild an der Hauswand an die alten Zeiten. Wer wissen will, wie es damals zugegangen ist, der muss Lorenz‘ Buch lesen.
Autor: Markus Tischler
Header-Foto: Konrad Lorenz vor dem Eingang zu der früheren Seemannskneipe „Zur Kuhwerder Fähre“.
Kategorien: Hamburg publiziert, Wissensdurst
Schlagworte: Hamburg, Hamburger Hafen, Hein-Köllisch-Platz, Kiez, Konrad Lorenz, Reeperbahn, Rohrkrepierer