Mein Hamburg: Petra Oelker

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen die Schriftstellerin Petra Oetker. Mit ihrem neuen Roman „Die Brücke zwischen den Welten“ geht sie gerade auf Lesereise.

Die geschichtliche Spurensuche ist Petra Oelkers Leidenschaft. Mit ihrem ersten historischen Hamburg-Krimi startete die Journalistin 1997 einen vorsichtigen Versuch und stieß gleich in eine Marktlücke. Seither lädt sie ihre Leser und Leserinnen zu immer neuen literarischen Zeitreisen ein.

Worum geht es in Ihrem neuen Buch? Es spielt in Konstantinopel und Sie haben Hamburg zumindest literarisch verlassen?

Das erste Kapitel spielt noch in Hamburg, in einer Hafenkneipe. Es geht um einen Hamburger Teppichhändler, der in Konstantinopel landet. Dort will Ludwig Brehm ihm Handelshaus Ihmsen & Witt alles über Orientteppiche lernen. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war die Stadt eine pulsierende Metropole, ein Schmelztigel der Kulturen, in dem sich Orient und Okzident begegneten. Es hatten sich dort viele europäische Geschäftsleute angesiedelt. Sie führten ein sorgloses Leben, ihre Geschäfte liefen gut. Brehm ist fasziniert von dieser schillernden Welt und von der Engländerin Edie, der Ehefrau des Inhabers Richard Witt. Ich erzähle die Geschichte eines sympathischen Hochstablers, der in die Bredouille gerät, als sich Besuch aus Hamburg ansagt.

Wie sind Sie auf die Geschichte gestoßen ?

Sie hat mit meinen Großeltern zu tun, über die ich allerdings viel zu wenig weiß. Ich habe schon vor etlichen Jahren begonnen, mich mit dem Thema der deutschen Community im Konstantinopel um 1900 zu beschäftigen. Ich habe eine längere Reise durch die Osttürkei und Jordanien gemacht. Dann habe ich in alten Unterlagen eines Hamburger Teppichhändlers in der Innenstadt gestöbert. Und über die Staatsbibliothek oder das Asien-Afrika-Institut kann man auch von Hamburg aus etliche Bücher auftreiben. Fußnoten und Literaturlisten erschließen mir dann immer wieder neue Quellen. Zum Schreiben lebe ich dann nur noch in dieser Bücherwelt.

Mit vielen Ihrer Bücher schicken Sie die Leser auf eine Reise ins Hamburg einer anderen Epoche. Wie finden Sie Ihre Geschichten?

Am Anfang stehen meist historische Fakten, nur selten eine Figur. Manche Geschichten entstehen einfach dadurch, dass ich über irgendetwas stolpere, das mich interessiert. Da bin ich inzwischen wohl eine Art Trüffelschwein. Zum Beispiel habe ich einmal auf einem Museumsgrabbeltisch ein kleines Büchlein über die Herstellung von Seidenblumen im 18. Jahrhundert entdeckt. Ich stelle immer ein oder zwei Gewerbe ins Zentrum meiner Geschichten, die Leichen sind mehr das Beiwerk.

 

Als 1997 „Tod am Zollhaus“, der erste Rosina-Krimi erschien, haben Sie damit ja den historischen Hamburg-Krimi quasi erfunden. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Der Journalismus veränderte sich damals stark. Die Geschichten mussten immer kürzer werden, und ich merkte, dass mir das nicht so lag. Da ich gerade eine Biografie über die Schauspielerin und Theaterprinzipalin Friederike Caroline Neuber aus der Lessing-Zeit veröffentlicht hatte, rieten mir Freunde, doch mal einen Roman zu schreiben. So kam es zum ersten „Rosina“-Krimi. Doch das Manuskript wollte kein Verlag haben. Die Begründung war, dass Hamburg als Handlungsort völlig uninteressant sei und das 18. Jahrhundert erst recht. Damals gab es kaum historische Romane von deutschen Autoren. Als ich das Manuskript eigentlich schon in dem Mülleimer schmeißen wollte, habe ich es doch noch an den Rowohlt Verlag geschickt. Der hat dann überraschenderweise sofort den Finger draufgelegt. Und da bin ich noch heute.

So haben Sie also eine Marktlücke entdeckt.

Der Verlag witterte wohl den Trend, der damals schon in der Luft gelegen haben muss. Es gibt jetzt zehn Rosina-Krimis. Eigentlich hätte ich jetzt den elften fertig haben müssen. Ich hatte auch schon eine Geschichte im Kopf, aber die wollte nicht so recht. Beim Schreiben hatte ich immer das Bild im Kopf, dass Rosina auf dem Dach ihres Hauses sitzt und partout nicht herunterkommen will. Stattdessen habe ich mich dann an das Konstantinopel-Projekt gemacht, dass ich seit fünfzehn Jahren vor mir herschiebe.

Sie kennen sich inzwischen ja mit ganz unterschiedlichen Hamburger Epochen aus.

So viele sind es gar nicht. Die Rosina-Krimis spielen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bevor ich mit meiner Konstantinopel-Geschichte beginnen konnte, wollte ich wissen, wie es um die Jahrhundertwende in Hamburg zuging. Meine beiden Romane „Ein Garten mit Elbblick“ und „Das klare Licht des Nordens“ spielen nun in dieser Zeit. Mein vorletztes Buch „Emmas Reise“ erzählt von einer langen Fahrt von Hamburg nach Amsterdam nach Ende des Dreißigjährigen Krieges. Eine Zusammenstellung von wissenschaftlichen Aufsätzen über die Zeit, insbesondere den Waffenhandel zwischen Hamburg und den Niederlanden, hat mich dazu inspiriert.

Gibt es für Ihre Frauenfiguren immer historische Vorbilder?

Der rote Faden für meine Romane ist das Interesse an den Menschen, ihrer Arbeit und Kultur in ihrer geschichtlichen Situation. Ich habe zwar auch Zeitgenössisches geschrieben, aber das hat mich nicht so bewegt. Mich interessieren eher die Wurzeln. Für meine Frauenfiguren gibt es tatsächlich meistens reale Vorbilder. Die Lebensgeschichte meiner Rosina, die aus einem großbürgerlichen Haus bei Nacht und Nebel geflohen ist, sich durchgeschlagen hat und dabei auch das Glück hatte, an die richtigen Leute zu geraten, ist eine Lebensgeschichte, die existiert hat, die auf die Schauspielerin Friedericke Caroline Neuber zurückgeht. Die Frauen aus der zweiten Reihe sind meistens interessanter. Die in der ersten müssen immer was darstellen, die dahinter können agieren. Es hat Handwerkerinnen und vor allem auch Witwen gegeben, die sich eine gewisse Unabhängigkeit bewahren konnten und viel Einfluss hatten. Ein lediges Fräulein dagegen saß am Ende beim Personal. Mit den Lebenssituationen von Frauen beschäftige ich mich schon länger, als ich Romane schreibe.

Gibt es für Sie noch Lieblingsorte in Hamburg, die nicht auch Schauplätze ihrer Romane sind?

Ja, aber natürlich. Ich gehe gern zu Fuß oder fahre mit dem Fahrrad und entdecke überall etwas, was ich bisher noch nie wahrgenommen habe: hier ein Haus, dort ein besonders gestaltetes schmiedeeisernes Gitter einer Brücke. Hamburg hat so viele Facetten. Vor allem die Weite und das Wasser prägen hier den Lebensstil. Besonders gerne wandere ich über den Elbhöhenweg, von Wedel Richtung Blankenese. Dann nehme ich eine Thermoskanne mit und raste auf der Bank am Puppenmuseum Falkenried. Von dort hat man einen tollen Blick. Wenn ich gut drauf bin, wandere ich bis Teufelsbrück und fahre von dort mit dem Schiff. Das ist ein Luxustag. Ich hatte immer die Vorstellung, man könne hier aufs Schiff steigen und einfach abhauen. Hamburg bedeutet für mich eine große Freiheit, die ich hier leben konnte.

Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat oder einen Lieblingsschnack?

„Schreiben ist die Kunst, den Hintern auf dem Stuhl zu lassen“, hatte einst die Schriftstellerin Dorothy Parker gesagt. Wenn ich mal wieder vom Schreibtisch weglaufen will, dann lese ich das laut vor mich hin und sage mir, los, noch eine Runde.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Foto: Petra Oelker © Thorsten Wulff
Foto: Buchcover  © Rowohlt Verlag

17. Oktober 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg liest, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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2 Kommentare

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