Mein Hamburg: Bernd Haß

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen den Geschäftsführer des Stadtteilkulturzentrums Goldbekhaus, Bernd Haß.

Offen für Experimente war Bernd Haß schon immer. So studierte er in Hildesheim zunächst einmal Kulturpädagogik, damals ein Modellprojekt. In Hamburg ging es mit Betriebswirtschaft weiter. Für den Einstieg ins Goldbekhaus war er also doppelt gerüstet und wurde schnell Mitglied im Leitungsteam. Nach seinem Erziehungsurlaub wollte er noch einmal etwas anderes ausprobieren und ging für ein Jahr  als Verwaltungsleiter ans Hamburger Konservatorium, aber es zog ihn zurück zur Stadtteilkultur. 2001 übernahm er die Geschäftsführung im Goldbekhaus.

Als Geschäftsführer eines Stadtteilkulturzentrums haben Sie sicher einen besonderen Blick auf die Stadt. Was macht für Sie Hamburg aus?

Mein Blick fällt vor allem auf Winterhude. Das ist ein sehr mobiler Stadtteil, der sich im Wandel befindet. Wenn man Indikatoren wie Familieneinkommen und Bildungsniveau betrachtet, ist Winterhude ein wohlsituierter Stadtteil. Hier leben viele junge Menschen mit hohem Einkommen, die an Innovationen interessiert und sehr flexibel sind, die zu den sogenannten Digital Natives zählen. Es gibt auch ältere Bewohner, die schon lange im Stadtteil leben. Wir versuchen mit dem Goldbekhaus, alle im Stadtteil zu erreichen.

Was bietet das Goldbekhaus an, welche Bedeutung hat es für die Stadt?

Hamburg ist eine sehr gute Stadt für Stadtteilkulturzentren. Zwar sind die auch in Hamburg unterfinanziert. Aber wenn man es mit anderen Städten und Bundesländern vergleicht, stehen wir sehr gut da. Im Goldbekhaus bieten wir kulturelle Veranstaltungen und offerieren Kurse, Workshops und Projekte. Fünfzig Prozent unserer Besucher kommen aus dem Umfeld des Stadtteils, die andere Hälfte kommt angebotsbezogen je nach Künstler und Prominenz aus der ganzen Stadt. Etwa bei unserem Inklusionstheater: Da wohnen die Akteure in Winterhude, die Besucher kommen aber aus ganz Hamburg.

An wen richtet sich das Angebot im Goldbekhaus?

Unser Angebot richtet sich an ganz unterschiedliche Personengruppen und wir kooperieren mit ganz unterschiedlichen Initiativen. So bieten wir zum Beispiel im Verbund mit der Initiative Wir im Quartier“, den Kirchengemeinden und dem Quartierentwicklungsprojekt Q 8 Unterstützung für Geflohene. Neben unserem traditionellen Angeboten als Verein probieren wir aber auch Neues aus.  Als Vermieter stellen wir für das Sportangebot „Jumping Fitness“ unsere Halle zur Verfügung. Da organisieren verschiedene Anbieter in der ganzen Bundesrepublik mit einer App ganz unkompliziert Sportangebote.

Dann ist das Goldbekhaus mit seinen Angeboten ja breit aufgestellt?

Wir wollen auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren, mitgestalten und in die Stadtteile hineinwirken. Etwa mit unserer Unterstützung einer Initiative, die sich für den Umbau eines Bunkers zum Wohnprojekt für Jung und Alt einsetzt. So etwas gibt es in Winterhude kaum. Weil der Bunker Bundesvermögen ist und der Verkauf Geld bringen soll, ist es ein schwieriges Projekt, denn so etwas lässt sich nur mit einem niedrigen Mietniveau realisieren. Bei einem anderen Projekt können jungen Menschen, die in irgendeiner Form benachteiligt sind, bei uns Stand Up Paddling lernen. So ermöglichen wir gesellschaftliche Teilhabe, stabilisieren sie aber auch physisch und psychisch durch die besonderen Effekte des Gleichgewichtstrainings.

Hat sich seit der Eröffnung des Goldbekhauses 1981 viel verändert?

Früher gab es in Stadtteilkulturzentren vor allem selbst organisierte Kurse wie Töpfer, Näh- oder Fotokurse. Im Laufe der Zeit kam es zu einer Professionalisierung, die wegen des höheren Finanzvolumens auch aus rechtlichen Gründen notwendig wurde. Die Urform dieser selbst organisierten Gruppen aus dem Stadtteil entsteht allerdings gerade wieder neu, etwa über die Kooperation „Wir im Quartier“. Jetzt haben wir wieder eine Nähwerkstatt. Und unter dem Aspekt, Dinge zu teilen oder in Tauschbeziehungen zu treten, gibt es in unserem Hof eine gut funktionierende Verteilstation für Bücher und eine für Lebensmittel. Es gibt viele Menschen, die etwas bewegen wollen. Wir fördern das, indem wir den Ort stellen und die Aktivität publizieren.

Was reizt Sie daran, so ein Zentrum zu leiten?

Warum wir diese Arbeit machen, ist eine Frage, die wir uns häufig stellen. Und doch machen wir immer weiter. Im Goldbekhaus arbeiten elf Mitarbeiter mit Teilzeitverträgen, die allerdings alle eher Vollzeit arbeiten. Es gibt einen hohen Grad an Selbstausbeutung, dabei ist noch nicht einmal das Einkommen besonders hoch. Die Mitarbeiter treibt an, dass sie hier im Goldbekhaus viel gestalten und ohne Druck Experimente wagen können. Als Geschäftsführer versuche ich, diese Zusammenarbeit zu organisieren und zu ermöglichen. Das macht Spaß und motiviert, wenn man merkt, dass das Haus gut aufgestellt ist.

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Wenn Sie denn doch mal Freizeit haben, wohin zieht es sie in Hamburg?

Bei einer Sechstagewoche bleibt da nicht viel. Aus familiären Gründen wohne ich in Halstenbek. Privat zieht es mich an die Elbe und die Parks der Elbvororte. Gerne spaziere ich durch den Hirschpark runter an die Elbe, wieder hoch durchs Treppenviertel und zum Schluss ins Blankeneser Kino. Seit einem halben Jahr machen wir vor den Teamsitzungen zusammen einen Spaziergang durch Winterhude. Dabei kann man gut bilaterale Gespräche führen und sieht, was sich im Stadtteil verändert. Die Bewegung und die frische Luft sind sehr förderlich für die nachfolgende Sitzung.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie für das Goldbekhaus und für Hamburg?

Ich habe den Wunsch, dass das Kollegium diverser aufgestellt ist, was das Lebensalter und die Herkunftskultur angeht. Wir müssen mehr ein Spiegelbild der Stadt werden. Meine Vision ist, die Stadt gemeinsam so zu gestalten, dass viele partizipieren können. Und ich würde gerne daran mitwirken, dass die Herkunftsfamilie in Deutschland nicht mehr so stark die Bildungsbiografie der Kinder bestimmt. Wir versuchen da schon, einiges durch Schulkooperationen und Projekte zu verbessern.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat oder Lieblingsschnack?

Es passiert nichts Gutes, außer man tut es, denn wir reden oft viel zu lange, anstatt einfach mal etwas auszuprobieren. Das Jahresthema 2018 im Goldbekhaus ist Gut:Haben, frei nach Jean Paul: „Eine gute Kindheit ist ein Guthaben fürs Leben.“ Es geht auch darum, es gut zu haben ohne Guthaben.
Und dann gibt es da auch noch den Hamburger Schnack: Das kann man gut haben.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Foto: Bernd Haß im Hirschpark © Annelore Wilke – Goldbekhau

17. Januar 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg verbindet, Mein Hamburg, Tatkraft

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