Mein Hamburg: Andreas Karmers

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Andreas Karmers, Maler und Hörbuchproduzent

In Hamburg geboren und aufgewachsen, hat Andreas Karmers nach seiner Lehre zum Dekorateur vieles ausprobiert, Bauarbeiter, Seemann wie sein Vater, OP-Helfer, Türsteher. Seine Erfüllung aber fand er in ungewöhnlichen künstlerischen Projekten, als Maler sowie als Film- und Hörspielproduzent. Neben Hamburg stellte er in Berlin, Dresden, Leipzig und London aus.

Sie sind in Hamburg geboren, in der Oelkersallee aufgewachsen, wohnen auf St. Pauli. Was verbindet Sie mit der Stadt?

Hamburg lässt mich nicht los. Ich habe eine Weile in Leipzig gelebt, auch in Berlin, aber ich bin immer wieder zurückgekommen. Dabei gibt es vieles, was mir nicht gefällt, vor allem der Abriss und die Neubebauung. Wenn man früher mit dem Zug nach Hamburg kam, sah man zuerst die Schuppen und die Kräne und mir ging das Herz auf. Dieses Gefühl gibt es nicht mehr. Es ist wohl so eine Art Hassliebe.

“Wir waren das dunkle Herz der Stadt“ lautet der Titiel des Dokumentarfilmes an dem Sie gerade arbeiten.

Ich will die Geschichte des Gängeviertels erzählen, von 1880 bis zum Zweiten Weltkrieg. Meine Urgroßmutter hatte in der Neustädter Straße einen kleinen Laden. Mein Onkel und mein Großvater sind dort geboren. Damals säumten alte Fachwerkhäuser die Straßen, die dann den Gründerzeithäusern weichen mussten. Bis heute wurde ständig abgerissen und neu gebaut. Der Geschichte meiner Familie, insbesondere der meines Großvaters als Ich-Erzählerstimme aus dem Off, stelle ich historische Materialien gegenüber und zeichne so den gesellschaftlichen und politischen Wandel in dem Viertel nach.

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Sie produzieren Hörspiele, konzipieren Ausstellungen und haben mit “Karmers Hamburg“ einen eigenen Verlag.

Den Verlag habe ich gegründet, um meine Hörspiele selber herausgeben zu können. Ich interessiere mich für historische Themen. So habe ich den expressionistischen Lyriker Walter Rheiner  in zwölf Gemälden porträtiert und dazu ein Hörspiel über ihn entwickelt. Das war der Anfang. Mit der Ausstellung bin ich auf Tour gegangen. Es folgte das Hörbuch “Heeresbericht“ von Edlef Köppen und einige andere.

Wie funktioniert das alles ohne Förderung und ohne Senderbeteiligung?

Ich finanziere meine Projekte Stück für Stück, auch schon mal mit Crowdfunding. Es geht nur langsam voran, aber es sind immer Herzensangelegenheiten.

Wie ist die Idee für Ihr neuestes Projekt, der Vertonung der letzten “Vorwärts“-Ausgabe, entstanden?

Die Zeitung der sozialdemokratischen Partei mit dem Reichstagsbrand auf der Titelseite wurde am 28. Februar 1933 zwar noch gedruckt, aber nicht mehr ausgeliefert. Das Verlagshaus wurde gestürmt, die Zeitung beschlagnahmt und verboten. Als ich die Ausgabe zufällig bei einem befreundeten Grafiker entdeckte, wollte ich sie noch einmal aufleben lassen, als ein Zeichen für Demokratie und Pressefreiheit. Ich habe die Ausgabe komplett vertont, mit Artikeln, Meldungen, Werbung und dem Lottogewinn und einem Soundkonzept inklusive zeitgenössischer Lieder, um die Stimmung an diesem Tag einzufangen.

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Mit einer Vielzahl von Sprechern, darunter Ulrich Tukur, Wilfried Dziallas, Isabella Lewandowski.

Ich hatte noch nie Probleme, prominente Sprecher zu bekommen. Die meisten sagen zu, selbst wenn sie kein Geld damit verdienen. Es dauert nur lange, Termine zu finden. Aber so puzzle ich mir meine Projekte in kleinsten Teilen zurecht.

Welche Visionen haben Sie für Hamburg?

Stadtentwicklung ist mein großes Thema. Ich wünsche mir, dass die sich behutsamer, sanfter entwickelt und dass der Denkmalschutz gestärkt wird. Ich kann keine kubischen Glasvierecke mehr sehen. Aber eigentlich hat die Stadt einen tollen „easy sound“ – der sollte unbedingt erhalten bleiben.

Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat oder Lieblingsschnack?

Passend zu diesem „easy sound“ würde ich sagen: immer locker bleiben. Mein Lieblingszitat ist von Walter Mehring: „Wir müssen weiter.“

 

Autorin: Herdis Pabst

Fotos: Andreas Karmers © Thomas Leidig

 

21. Juni 2017 von Redaktion

Kategorien: Hamburg künstlert, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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