Daniela van Santen

Liebeskummer-Expertin Daniela van Santen

Beziehungs-Coach Daniela van Santen führt die erste Liebeskummer-Praxis Hamburgs. Eine Trennung zu verarbeiten, ist ein langer Prozess.

Daniela van Santen, hatten Sie selbst schon einmal Liebeskummer?

Ja. Das ist auch der Grund, warum ich überhaupt diese Praxis habe. Früher habe ich Liebeskummer belächelt: Dauert ein paar Wochen, tut ein bisschen weh, ein Glas Rotwein, Schokolade, ein paar Heulfilme und eine gute Freundin – dann ist es wieder gut. Als es mich dann selbst richtig erwischt hat, war ich schon weit über 40. Dieser Mann hat mir richtig den Boden unter den Füßen weggezogen.

Weil er eine besondere Saite zum Schwingen gebracht hat?

Ganz sicher. Von da an habe ich Liebeskummer sehr ernst genommen. Ich war schon immer dafür bekannt, für jedes Problem eine Lösung zu finden. Plötzlich hatte ich keine. Ich war wie gelähmt, hatte psychosomatische Probleme. Gegen die Gefühle nicht anzukommen, war unfassbar schlimm.

Wie sah die Lösung schließlich aus?

Ich habe mich auf meine psychologische Ausbildung besonnen und den Liebeskummer auseinandergepflückt. Ich musste den Kampf Herz gegen Kopf, der in mir tobte, auf die Ebene des Verstandes bringen. Und zwar geduldig, in kleinen Portionen und mit dem Verständnis dafür, dass es sehr viele Rückfälle gibt. Das hat funktioniert – und so arbeite ich heute: Ich zerlege das große schmerzhafte Ganze in kleine Teile, die ich Stück für Stück auf die kognitive Ebene heben kann.

Was unterscheidet Liebeskummer von anderem Kummer?

Bei keinem anderen Kummer ist der Kampf Kopf gegen Herz so stark und so unlogisch. Der Kopf sagt: Dieser Mensch taugt nichts, er hat mich betrogen und schlecht behandelt – Finger weg! Das Herz dagegen schreit: Ist mir vollkommen egal, ich will ihn jetzt zurück und wir kriegen alles wieder hin! Man kann nicht mehr schlafen, essen, sich konzentrieren. Unter diesem Druck bricht man irgendwann zusammen.

Was geschieht da genau?

Eine Trennung ist zu vergleichen mit dem Tod eines nahestehenden Menschen. In der ersten Phase will man die Tatsache nicht wahrhaben und glaubt, die Person kommt gleich zur Tür herein. Dann setzt schon die Trauer ein. Diese Phase hat ihre eigene unerbittliche Länge. Ohne Hilfe kann sie sehr lange dauern. Zu Beginn dieser Trauerphase wird der Partner komplett idealisiert. Frauen geben hier die gesamte Schuld sich selbst, Männer hingegen empfinden das Scheitern als Schwäche und fühlen sich unzulänglich. Es folgt eine kurze, sehr intensive Phase der Wut – und dann findet das Loslassen statt. Alle diese Phasen sind nötig. In den ersten Wochen loszulassen, ist unmöglich.

Wie bemerkt jemand, dass Hilfe nötig ist?

Man sollte sich nicht sagen „Ich werde wahnsinnig“, sondern geduldig die Trauer zulassen. Denn die ist ganz natürlich. Generell kann man aber sagen: Wenn nach sechs Wochen nicht ein winzig kleines Licht am Ende des Tunnels sichtbar wird, sollte man sich Hilfe holen.

Sind bestimmte Menschen besonders betroffen?

Am schlimmsten ist es für Menschen, die normalerweise mit beiden Beinen fest im Leben stehen und es von sich selbst nicht kennen, aus der Bahn geworfen zu werden. Menschen, die eigentlich klar und analytisch denken und schwierigste Probleme zu lösen gewohnt sind, erleben eine vollkommene Hilflosigkeit und kommen alleine nicht mehr heraus.

Gibt es einen Standardweg zur Lösung?

Nein. Denn jeder Mensch hat eine eigene Geschichte. Und der Partner hat ebenfalls eine eigene Geschichte. Diese beiden Menschen haben dann eine gemeinsame Geschichte. Und all das ist für den Lösungsweg von Bedeutung.

Also müssen Sie die Menschen, die Hilfe bei Ihnen suchen, sehr schnell kennenlernen.

Ich nehme mir für das Erstgespräch drei Stunden Zeit. Wenn ich nur in das aktuelle Problem kennen würde, wäre ich oft auf dem falschen Dampfer. Wenn etwa ein 50-Jähriger mir erzählt, er hatte noch nie eine Beziehung, die länger als drei Monate dauerte, ist das natürlich sehr wichtig. Deshalb frage ich zuerst die gesamte Vorgeschichte ab. Dabei erzählen Frauen immer sehr viel, Männer kommen schnell auf den Punkt. Danach lasse ich mir das aktuelle Problem ausführlich schildern.

Wie gehen Sie dann zu Werke?

Im zweiten Teil ordnen wir dann das Chaos im Kopf. Der erste Schritt, das auf die Verstandesebene zu bringen, funktioniert bei allen. Übrigens hilft es sehr, wenn es stabilisierende Faktoren wie Job und Freunde gibt.

Müssen Sie bei dieser Arbeit mitleiden?

Bei der Arbeit bin ich oft sehr bestimmt. Ich bin nicht die, die in den Arm nimmt und mitweint. Diese traurigen, oft dramatischen Liebeskummergeschichten sind meine Arbeitsgrundlage. Und ich sehe im ersten Moment, wie der Mensch aussehen soll, wenn er wieder seinen Weg gefunden hat. Es ist ein wunderbares Gefühl, zu sehen, wie ein Mensch Stück für Stück aus dem Kummer wieder zum Vorschein kommt. Und ich lasse keinen aus der ersten Sitzung raus, der nicht einmal gelacht hat. Das kriege ich immer hin.

Kommen überwiegend Frauen zu Ihnen?

Es sind überwiegend Männer bei mir in der Praxis. Denn Männer sprechen in der Öffentlichkeit nicht über Liebeskummer. Die kommen auch erst dann, wenn es fünf vor zwölf ist. Männer versuchen zunächst, zu verdrängen, gerne mit einer anderen Frau, das manchen umgekehrt Frauen ganz selten. Es können auch Sport oder Überstunden sein – alles um nicht nachzudenken. Aber das Problem wächst im Untergrund.

Wie verhalten sich Frauen?

Wenn die Liebeskummer haben, wissen alle bescheid, von den Kollegen bis zum Friseur. Und mit den Freundinnen diskutieren sie das Thema immer wieder in Endlosschleifen.

Das klingt so, als ob der Zugang bei Frauen einfacher wäre.

Es ist mit Männern sehr viel einfacher, weil sie das analytische Denken viel stärker verinnerlicht haben. Männer hören sich etwas an und setzen es in der Regel sofort um.

Leiden Männer also doch weniger als Frauen?

Nein, Männer und Frauen leiden unterschiedlich. Sie empfinden den Schmerz gleich groß. Da Männer aber nicht reden, geraten sie in furchtbare Zustände. Weil sie damit so alleine sind, leiden Männer mehr. Wenn sie dann endlich reden, brechen Dämme.

Welche Rolle spielt die Dauer einer Beziehung?

Die ist völlig irrelevant. Gerade bei langen Beziehungen sind oft die letzten Jahre geprägt von der Trennung und Trauer. Da hat schon ganz viel Abschied stattgefunden. Die sind oft innerhalb von allerkürzester Zeit raus aus dem extremen Liebeskummer. Es gibt ganz kurze Beziehungen, bei denen der Partner idealisiert wird, da ist es sehr viel schwieriger.

Stellen Sie den Klienten ein positives Ziel in Aussicht?

Es gibt zu Beginn meistens nichts Positives. Wir betrachten das Problem zunächst realistisch. Anders als bei einer Therapie gebe ich bei meinem Coaching sehr viele Ratschläge. Dann geht es auch daran, alte Muster zu knacken. Manchmal geht es auch gar nicht um Liebe, sondern um Abhängigkeit.

Geben Sie auch konkrete Handlungsanweisungen?

Das mache ich, wenn Menschen beispielsweise das Online-Verhalten ihres Ex-Partners kontrollieren. Dann sage ich: „Schalten Sie die Beobachtungsfunktion aus“. Nach einigem Widerstreben bemerken die Leute, dass sie so viel mehr Ruhe gewinnen.

Gibt es Menschen, die besonders gefährdet sind, in ein tiefes Loch zu fallen?

Das kann jedem geschehen. Es gibt auch kein Alter, in dem Liebeskummer besonders häufig vorkommt oder besonders intensiv ist.

Gibt es saisonale Schwankungen?

Im Herbst, wenn die Blätter fallen und es dunkel wird, sind mehr Menschen betroffen. Dann direkt, nachdem Paare gemeinsam im Urlaub gewesen sind, für den sie sich viel vorgenommen haben: viel Sex, viel reden, alles nachholen. Dann gucken die sich aber 24 Stunden am Tag den Partner an und sagen enttäuscht: „Oh Gott“. Und dann gibt es noch die Zeit nach Weihnachten, dem Fest der Liebe. Das sind meist Trennungen, die schon lange geplant sind. Da wird noch einmal gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Zwischen Weihnachten und Silvester ist hier in der Praxis immer Hochkonjunktur.

Hat die Arbeit Ihre eigenen Beziehungen verändert?

Ich habe mich nicht verändert. Ich habe den festen Glauben, dass Beziehungen wunderschön sein können. Vielleicht bin ich durch meine Erfahrungen etwas schlauer geworden. Und über meine aktuelle Situation verrate ich nichts.


Zur Person:
Seit 2005 ist Daniela van Santen, Jahrgang 1961, als geprüfter Coach tätig. Sie studierte Psychologie an der Universität Hamburg und spezialisierte sich dann auf den Bereich Liebeskummer-Coaching.
18. September 2014 von Redaktion

Kategorien: Hamburg heilt, Lebensfreude

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