Paternoster

Paternoster-Fan Wolfgang Flemming: Fantastische Aufzüge

Paternoster faszinieren und flößen doch Respekt ein. Die merkwürdigen Aufzüge sind die große Leidenschaft des Hamburgers Wolfgang Flemming.

Paternoster sind sehr spezielle Fortbewegungsmittel. Wie Personen im Förderschacht auf- und abtauchen, ist für viele Außenbetrachter ein komisches Spektakel. Und für den Passagier oft ein vermeintliches Wagnis: hineinspringen, auf geht es! Aber bloß schnell wieder hinaus, bevor sich oben alles umdreht und man kopfüber in die Tiefe fährt. Oder noch Schlimmeres passiert: Arme einklemmen oder gar ein Hals.

Auch Wolfgang Flemming hat diese Furcht kennengelernt. Der 60-Jährige erinnert sich noch genau an seine erste Fahrt. Das war in einem Kontorhaus der Hamburger Innenstadt, in dem sein Großvater arbeitete. „Ich fand das bedrohlich“, gibt Wolfgang Flemming zu, „aber vor allem faszinierend.“

Die Faszination für die seltsamen Aufzüge hat ihn nie wieder losgelassen. Zunächst hat er Hamburg systematisch nach ihnen abgesucht, als Jugendlicher dann auch andere deutsche Städte inspiziert.

Wolfgang Flemming
Paternoster-Fan Wolfgang Flemming

Schon als Junge war Wolfgang Flemming ein Trümmergucker

Zum regelrechten Hobby wurden die Paternoster dieser Welt aber erst in den 1990er Jahren. Seither präsentiert Wolfgang Flemming seine Fundstücke auf einer eigenen Webseite. Hier die archivierte Liste der Hamburger Paternoster.

Woher diese Leidenschaft kommt? Der Oberstudienrat, der an der Feuerwehrakademie Hamburg Chemie und Biologie unterrichtet, überlegt kurz. „So ein Trümmergucker war ich schon als Junge“, sagt Wolfgang Flemming. Er habe sich schon immer für alte Schlösser und Ruinen interessiert.

Andere Paternoster-Fans wurden auf Flemmings Webseite aufmerksam, darunter auch ehemalige Hersteller der Anlagen, Behördenmitarbeiter und ein Monteur. Alle steuerten ihr Fachwissen bei.

Urlaube werden zum Entdecken neuer Paternoster genutzt

Viele Aufzüge findet Wolfgang Flemming selbst. Auf Reisen schaut er sich in alten Bürohäusern um. „Das ist oft alleine wegen der Treppenhäuser und der Innenarchitektur ein Vergnügen.“ Wird er fündig, notiert er sich Hersteller und Baujahr für seine virtuelle Sammlung und fotografiert die Maschine.

Wolfgang Flemmings Liste umfasst heute mehrere hundert Paternoster. Die meisten gibt es in Hamburg und Berlin, viele im übrigen deutschsprachigen Raum, weitere in Europa.

Die vertikalen Förderbänder für Menschen wurden bis in die 1960er Jahre in vielgeschossige Häuser eingebaut. Alleine in Hamburg gab es vor dem Zweiten Weltkrieg mehr als 200 Anlagen. Heute sind davon noch rund 30 in Betrieb, viele frei zugänglich.

Der Name rührt übrigens von der Konstruktion her, die an die Rosenkranzkette erinnert, mit der Katholiken auch das Vaterunser beten. Und nicht, wie böse Zungen behaupten, weil die Passagiere in ihrer Angst Gott um Schonung anflehten.

Paternoster sind nicht mehr gefährlich

Wirklich gefährlich, erklärt Wolfgang Flemming, seien die Aufzüge nicht. Früher gab es vielleicht mal gebrochene Beine. Zu tödlichen Unfällen kam es aber nur, wenn Arbeiter Leitern oder Sackkarren in den Paternoster mitnahmen, die sich dann verklemmten und die Leute zerquetschten.

Die letzten offenen Paternoster gab es in Hamburg bis in die 1970er Jahre. Heute laufen nur noch Aufzüge mit Holzschürzen dran, beruhigt Wolfgang Flemming. „Das heißt, man kann nicht mehr in den Schacht reingucken und auch nicht reinfallen.“ Es klingt Wehmut über den verlorenen Nervenkitzel mit.

Einer der schönsten Hamburger Paternoster befindet sich im Laeisz-Hof an der Trostbrücke. Es existiert ein fantastischer Lichthof, die einzelnen Stockwerke haben Galerien mit schmiedeeiserne Balustraden und Säulen.

„Das ist ungeheuer aufwändig“, schwärmt Wolfgang Flemming, „wenn man da mit dem Paternoster fährt, hat man immer neue Blickwinkel.“

Paternosterkette
Paternosterkette

Autor: Hilmar Schulz
Bildbeschreibung Titelfoto: „Die Benutzung des Paternosters erfolgt auf eigenes Risiko.“

12. März 2015 von Redaktion

Kategorien: Hamburg entdeckt, Stadtliebe

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