Zum Hafengeburtstag kommen Schiffe aus aller Welt, an Bord arbeiten Mann und Frau. Das ist auch der Verdienst der Pionierin Annaliese Teetz.
Mit abgeschnürter Brust und in Jungsklamotten heuert Annaliese Sparbier 1924 auf einem Fischdampfer an. Die 14-jährige, die nach ihrer Heirat Annaliese Teetz heißt, muss sich so verkleiden, denn Frauen dürfen damals nicht auf Schiffen arbeiten. Doch die Blankeneserin spürt einen Drang zur Seefahrt, der sich nicht unterdrücken lässt.
Der Traum der Annaliese Teetz: „Kapitän auf großer Fahrt“ werden, das höchste nautische Patent. Die Behörden stellen sich aber quer. Das immergrüne Vorurteil: „Unnerröck an Bord, dat gifft Malheur“ („Unterröcke an Bord, das bringt Unglück“).
Aber Annaliese Teetz denkt gar nicht daran aufzugeben.
Sie bleibt beharrlich und bekommt tatsächlich eine Sondergenehmigung – von Adolf Hitler persönlich und erhält im Dezember 1943 vom Direktor der Hamburger Seefahrtschule das Steuermannspatent. Es ist jedoch das Bundesverkehrsministerium, welches ihr nach dem Krieg das weitere Vorwärtskommen erschwert, doch 1955 hat es Annaliese Teetz geschafft: Sie bekommt das Große Patent überreicht und ist erste Kapitänin Deutschlands. Ein großer Triumph noch vor dem Gleichstellungsgesetz 1958.
Einige Jahre als Offizierin auf großer Fahrt
Das Kommando durfte sie dennoch nicht übernehmen. Kein Reeder wollte ihr ein Schiff anvertrauen. Immerhin fuhr Annaliese Teetz noch einige Jahre als Offizierin über die Meere. 1968 geht sie von Bord, ihr Ehemann war schwer erkrankt.
Sie arbeitet in dem Beruf, den ihr Vater immer als den für sie geeigneten erachtet hatte: Lehrerin. Annaliese Teetz unterrichtet Geografie und Leibeserziehung an der Kahlkampschule in Blankenese.
„Sie war immer sehr streng“, erinnert sich Klaus Schade. Dennoch schätzte der heute 73-Jährige den actionreichen Unterricht von Annaliese Teetz. „Sie war auch eine große Spaßkanone. Wir gingen zelten, schwimmen, bauten unter ihrer Anleitung ein Elbmodell – mit echten blinkenden Leuchttürmen.“
Dem ehemaligen Elblotsen, der noch heute in Blankenese wohnt, hatte stets imponiert, wie Annaliese Teetz für ihre Ziele kämpfte. „Sie war diszipliniert und willensstark“, sagt Klaus Schade. Die Seefahrt-Pionierin ließ sich auch nicht von drei Schlaganfällen entmutigen, die sie nach dem Tod ihre Mannes erlitten hatte.
Mit eiserner Disziplin und täglichen Übungen kämpft sich Annaliese Teetz zurück, macht noch als 81-Jährige ihre täglichen drei Klimmzüge am Reck im eigenen Garten. Und natürlich zog es sie weiter zum Wasser hin. Mit ihrem Boot rudert sie oft nach Schweinesand, eine Elbinsel gegenüber von Blankenese.
Am 5. April 1992 passiert es: Vor Blankenese gerät Annaliese Teetz in eine gefährliche Strömung. Freundin Anna wartet am Ufer, sieht das Boot kentern und ruft: „Halte durch, ich hole Hilfe.“
Annaliese Teetz könnte an Land schwimmen, aber ein Kapitän verlässt sein Schiff nicht. „Sie wollte sich mit dem Boot zum Anleger treiben lassen“, vermutet Klaus Schade.
„Wie sie gelebt hat, so starb sie auch: verbunden mit dem Wasser“
Das kalte Wasser setzt Annaliese Teetz zu, sie kann den Rettungsring nicht mehr greifen. Bei einem Wendemanöver bekommt ihr Boot einen Stoß und geht unter. Erst Monate später wird die Leiche von Annaliese Teetz elbabwärts gefunden. „Wie sie gelebt hat, so starb sie auch: verbunden mit dem Wasser“, sagt Klaus Schade.
Für die Frauen in der Seefahrt hat Annaliese Teetz viel erreicht. So kämpfte sie in der früheren Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) gegen die „unsinnigen“ Verbote, Frauen wegen mangelnder Körperkraft und möglicher sexueller Belästigung die Arbeit an Bord zu untersagen.
Zwei Jahre nach ihrem Tod wird das Seemannsgesetz geändert. Heute sind Frauen in der Seefahrt selbstverständlicher. Das Berufsbild „Kapitän“ wandelt sich aber nur langsam. Lediglich 10 von 1438 deutschen Kapitänen sind weiblich – das sind 0,7 Prozent.
Autorin und Foto: Anja-Katharina Riesterer (2014- aktuell Redaktion 2016)
Header-Foto: A. Sparr
Info
Maike und Ronald Holst haben das Buch „Blankeneser Frauen“ geschrieben. In diesem schildern sie 60 Frauenschicksale aus zwei Jahrhunderten. Ein Kapitel ist auch Annaliese Teetz gewidmet. Ronald Holst steht zudem seit 2001 dem „Förderkreis Historisches Blankenese“ vor und leitet das Blankeneser Fischerhaus-Museum. 24. Februar 2016 von Redaktion
Kategorien: Hamburg erinnert, Stadtliebe
Schlagworte: Annaliese Teetz, Blankenese, Blankeneser Frauen, Kapitän, Kapitänin, Seefahrt
wo kann man das Buch über Annaliese Teetz/ „Blankeneser Frauen“ erwerben?
Bin Jahrgang 1929 und in Harksheide (heute Norderstedt) großgeworden. Ich kann mich daran erinnern, dass meine Eltern sich über Anneliese Sparbier unterhielten.
Anneliese wohnte damals an der Segeberger Chaussee und sie schlief nachts in ihrem Garten um sich abzuhärten.
Anneliese Teetz hat mir im März 1989 ausführlich ihre abenteuerliche Geschichte erzählt, nachzulesen in meinem Buch „Von Menschen und großen Pötten – Das Hafenbuch Hamburg“, das nur noch antiquarisch erhältlich ist. Seit 2017 steht es jedoch unter demselben Titel als E-Book (Kindle und Tolino-Edition) wieder zur Verfügung. Einen stimmungsvollen Überblick über das Hafenbuch bieten meine YouTube-Videos „Hafen Portraits Hamburg“ mit animierten und vertonten Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Viel Spaß dabei!
Ich bin 1958 bei Frau Teetz auf dem Schiff, Ditmar Koel, als Schiffsjunge zur See gefahren. Sie war eine tolle Vorgesetzte.