Die Nacht der Kirchen begeistert Hamburg. Am 6. September steigt die elfte Auflage. HAMBURGschnackt! sprach mit Organisator Winfried Hardt.
Alleine von den Zahlen her ist es eines der kulturellen Großereignisse des Jahres. Die Nacht der Kirchen, die am 6. September zum elften Mal in Folge stattfindet, bietet 560 Veranstaltungen in 130 Gemeinden in und um Hamburg. Das Programm reicht von Musik aller Stilrichtungen über Filme, Theater, Lesungen bis zu Comedy. Als Organisator und Projektleiter fungiert Winfried Hardt. der früher selbst Pastor der Kirchengemeinde Siek war.
Erfahrung und Empathie: Winfried Hardt organisiert zum elften Mal die Nacht der Kirchen.
Winfried Hardt, das Programm, das Sie organisiert haben, ist gigantisch. Sie müssen erschöpft sein.
Bin ich auch. Im Moment beschäftigen mich viele organisatorische Kleinigkeiten.
Wie lange liefen die Vorbereitungen?
Wir brauchen etwas über ein Jahr – mit anderthalb Mitarbeitern. Nur in der Schlussphase sind
es natürlich einige mehr.
Warum nehmen Sie diese Anstrengungen auf sich?
Wir möchten in Hamburg Aufmerksamkeit erregen. Um in dieser Stadt wahrgenommen zu werden, braucht man eine bestimmte Veranstaltungsgröße. Wir möchten alle Hamburger einladen, sich einmal eine Kirche von innen anzusehen und zu erleben, wie sich etwa ein Konzert mit einem Musiker, den man kennt, in einer Kirche anfühlt. Oder wie es ist, wenn um Mitternacht die Menschen „Der Mond ist aufgegangen“ singen.
Kann man so auch Menschen in die Kirchen holen, die nicht religiös sind?
Ja, diese Erfahrung machen wir. Die Leute können einfach so hereinkommen – ohne Hemmschwellen. Manche wissen nicht, wie man sich drinnen verhalten soll. Bei der Nacht der Kirchen fällt das weg. Die Türen sind immer offen, man kann nach Belieben hinein- und hinausgehen und direkt erfahren, wie es dem eigenen Herzen geht, wenn die Geistlichen segnen und beten.
Welche Rolle spielen die verschiedenen Konfessionen?
Die ökumenische Zusammenarbeit bei diesem Projekt ist enorm. In der Organisation erlebe ich das als völlig schrankenlos. Es ist die größte ökumenische Veranstaltung im Norden, wenn nicht gar in Deutschland.
Kommen auch Muslime?
Ja. Der Pastor der evangelischen Jerusalemkirche in Eimsbüttel ist zum Beispiel Vorsitzender einer christlich-muslimischen Arbeitsgruppe. Gleichzeitig feiert dort die liberale Jüdische Gemeinde in Hamburg ihr zehnjähriges Bestehen.
Gemeinsamkeit: Die Nacht der Kirchen bringt Menschen aller Konfessionen zusammen.
Wie ist es angesichts des breiten Unterhaltungsprogramms mit der christlichen Botschaft bestellt?
Die ist zentral! In diesem Jahr ist das Motto „beherzt“. Wenn wir sagen: Gott ist die Liebe, dann ist das Herz unser passendstes Symbol. Wir verteilen auch Postkarten mit Herzen, die sich die Menschen gegenseitig schenken und damit auch fotografieren sollen.
Wer finanziert die Nacht der Kirchen?
Die finanzielle Last tragen die evangelischen Kirchenkreise in Hamburg. Auch das Erzbistum ist entsprechend der teilnehmenden katholischen Gemeinden am Projekt beteiligt. Dazu kommen sehr viele Sponsoren, die weit mehr als die Hälfte der Kosten übernehmen. So hat uns ein Werbeunternehmen all seine Plakatflächen zur Verfügung gestellt. Eine Logistik-Firma gibt uns kostenlos Lagerplatz. Wo wir anfragen, erfahren wir sofort Hilfe.
Woran liegt das?
Die Nacht der Kirchen ist in Hamburg etabliert und bietet einen guten Image-Transfer für Sponsoren, aber auch für Künstler. Die freuen sich, wenn sie uns in ihrer Referenzenliste haben.
Zu welcher Veranstaltung werden Sie gehen?
Ich bin gebunden wie ein Kapitän auf der Brücke. Unter anderem gibt es Flashmobs in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs, um die ich mich kümmern muss. Wenn ich eine Kirche besuchen könnte, dann würde ich zum Wiegenliederkonzert nach Osdorf gehen. Und ich würde in der Kirche Alt-Rahlstedt sein, wo Jugendliche aus eigenen literarischen Werken lesen.
Welche Veranstaltung, die es in diesem Jahr nicht gibt, wünschen Sie sich für das nächste Mal?
Die Nacht der Kirchen zeigt eine Kirche, wie sie in Zukunft einmal sein könnte. Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017 bräuchten wir eine Reformationskirche. Die muss ein Motto bekommen, das ausdrückt, was Reformation heute sein könnte – und das fehlt mir noch.
In welche Richtung könnten die Veränderungen gehen?
Wir planen eine Kirche, die sich dem Thema „Bibel und Bild“ widmet. Wir haben heute in Deutschland einen Analphabeten-Anteil von mehr als 13 Prozent. Jeder siebte Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren kann nicht richtig lesen und schreiben. Gleichzeitig wird unsere Medienwelt von Bildern und Videos beherrscht. Wir erleben einen gigantischen Medienumbruch. Wir wissen noch gar nicht, wo das hinführt. Gerade deshalb wollen uns damit in der nächsten Nacht der Kirchen beschäftigen.
Interview: Hilmar Schulz
Bildbeschreibung: Nacht der Kirchen: Wunderbare Atmosphäre und erfüllende Erlebnisse.
5. September 2014 von RedaktionKategorien: Hamburg begeistert, Stadtliebe
Schlagworte: Gottesdienst, Hamburg, Kino, Kirche, Konzert, Lesung, Nacht der Kirchen, Ökumene, Reformation, Winfried Hardt