Mein Hamburg: Michael Batz

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Michael Batz, Lichtkünstler, Theatermacher und Autor.

Aus der Puppenstube Marburg kam Michael Batz 1976 nach Hamburg. Auf den Straßen der Stadt hat er Theater gespielt, die Theaterfabrik Kampnagel mit aufgebaut und als Dramaturg geprägt. Schließlich hat er die Speicherstadt als Kulisse für die jährliche „Jedermann“-Inszenierung entdeckt. Mit seinen Lichtkonzepten gibt er der Stadt immer wieder ein neues Gesicht. Sein größtes Projekt: Blue Port Hamburg.

Alle zwei Jahre lassen Sie mit Blue Port den Hafen in blauem Licht erstrahlen. Welches Konzept haben Sie sich diesmal ausgedacht?

Im Mittelpunkt steht der Hafen mit seinem Wandel. Die gesamte Strecke von den Elbbrücken über den historischen Freihafen bis Airbus wird auf beiden Seiten über etwa acht Kilometer ein zusammenhängender Lichtraum sein. Auf der Südseite haben wir als Arbeitslandschaft das industrielle Thema. Diese Sicherheitsbereiche sind für Publikum nicht zugänglich. Auf der Nordseite haben wir mit Hafencity, Sporthafen und Elbphilharmonie die Spaßmeile. Diese beiden Bereiche haben sich im Alltag wenig zu sagen. Die eine Seite steht für Wertschöpfung, die andere für Freizeit.

Gibt es thematische Schwerpunkte?

Uns geht es in diesem Jahr um Bewegung und Partizipation. In der Hafencity geht es um Stadtentwicklung. Da zeigen wir, wie Hamburg wächst und anders wird. Wir haben traditionelle Themen wie den alten Elbtunnel. Eine Röhre wird erstrahlen und die Besucher können durch dieses blaue Licht gehen. Am Südufer sind die sich bewegenden Van Carrier auf dem Burchardkai beleuchtet. Wenn Besucher das Südufer in einer Langzeitbelichtung filmen, bilden sie das Nervensystem des Terminals ab. Aber ich gehe auch in die Stadt hinein. Das von Martin Haller erbaute Stellahaus am Rödingsmarkt wird beleuchtet. Und wenn man mit der U3 fährt, wird man plötzlich am Großen Burstah das blaue Licht vom Bettenhaus Möhring sehen. Ich würde mich freuen, wenn viele Besucher mit eigenem blauen Licht kämen. Blue Port Hamburg ist eine Einladung, die eigene Stadt zu entdecken und auch eigene Bilder zu machen.

 

Wie entsteht diese Beleuchtung?

Wir haben ein hoch effizientes Team von bis zu fünfzig Mitarbeitern, Spezialisten, die auch alle Auflagen erfüllen, die man in den industriellen Bereichen braucht, zum Beispiel Höhentauglichkeit. Blue Port bekommt nur eine sehr kleine Sockelfinanzierung durch die Stadt. Somit muss ich die Firmen um Unterstützung bitten. Aber die Akzeptanz von Blue Port ist bei allen Firmen vorhanden. Sie finanzieren quasi jeweils ihren eigenen Blue Port. Auch die Cap San Diego wollte mitmachen, hatte aber nicht das Geld. Da haben wir das Material geliefert und sie bauen selber auf. Aber das ist eine Ausnahme. Wenn heute jemand mit einem vergleichbaren Konzept noch mal neu anfangen würde, lägen die Kosten im siebenstelligen Bereich.

Eigentlich kommen Sie doch vom Theater. Wie ist die Idee der Illuminationen überhaupt entstanden?

Mit Licht hatte ich schon zu tun, als ich an der Studiobühne in Marburg gearbeitet habe. Als ich nach Hamburg kam, habe ich bei einem Projekt Textzeilen an Gebäude projiziert. Das war der erste Schritt in den öffentlichen Raum. 1994 entwickelte ich den Jedermann für die Speicherstadt. Daraus entstand die Idee zu den Illuminationen. Nach den Blue Goals 2006 zur Fußballweltmeisterschaft schlug Ole von Beust vor, die Illumination fortzusetzen. Da es an Finanzierung fehlte, entstand die Kooperation mit den Cruise Days. Trotzdem ist Blue Port Hamburg eine eigene Veranstaltung. Das wird in diesem Jahr besonders deutlich mit “Blue Port Art“ in den ersten fünf Tagen und mit “Blue Port Event“ während der Cruise Days.

Was hat Sie damals an Hamburg gereizt?

Hamburg war eine Stadt, die nicht so geschönt war, noch nicht so schön wie heute. Das Schanzenviertel war damals eine härtere Welt. Ich habe da Straßentheater gemacht und hatte das Glück, dass vieles noch nicht in kommerziellen Formaten stattfand. Die ersten Alstervergnügen waren großartige Theatertreffen. Es kamen Gruppen aus Amsterdam und London. Diese ersten Festivals Mitte der Siebziger- bis Mitte der Achtzigerjahre haben eine ganze Künstler-Generation geprägt. Daraus entstand auch der Impuls, Kampnagel zu entdecken und in ganz andere Räume hineinzugehen. Das hat mich begleitet bis in die Speicherstadt.

Sie machen aber auch heute noch Theater, entwickeln Stücke und immer geht es um Hamburgs Geschichte?

Jedes Jahr aktualisiere ich mit dem “Theater in der Speicherstadt“ den “Hamburger Jedermann“. Seit 1998 entwickle ich die Dokumentarstücke für die Hamburger Bürgerschaft. Bisher sind 18 Stücke in ununterbrochener Folge entstanden. Aufgeführt werden sie im Rathaus jeweils am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Befreiung des KZ Auschwitz, dann im Anschluss im Bucerius Kunst Forum und in der Landesvertretung in Berlin. Was in den zwölf Jahren des Nationalsozialismus angerichtet wurde, ist unermesslich und thematisch leider unerschöpflich. Wir bieten die szenischen Lesungen vormittags für Schüler an. Inzwischen werden die Stücke in den Schulen nachgespielt. Es ist schön, wenn man über diese Vermittlungsform die Beschäftigung mit dem Holocaust weitertragen kann, ohne dass gleich eine ich-kann-es-nicht-mehr- hören-Haltung entsteht.

Vor allem die Speicherstadt ist immer wieder ihr Thema.

Mit dem Hamburger Art Ensemble habe ich Speicherstadt Story als szenische Lesung entwickelt. Mit diesem Titel ist nun auch ein Buch entstanden. Wir haben die Speicherstadt immer als narrativen Ort gesehen, als historischen Ort, nicht nur als Kulisse und Dekoration, die man pittoresk benutzen kann. Irgendwann muss man dem Ort etwas zurückgeben. Ich habe versucht, die Geschichte der Speicherstadt von innen zu erzählen, die Geschichten all jener Menschen, die längst vergessen sind und vielleicht auch früher nicht die große Beachtung fanden. Ich habe 55 Interviews gemacht, teilweise mit Personen, die inzwischen nicht mehr am Leben sind. Hierfür erhielt ich Unterlagen aus privaten Archiven, auch Bilder. Und so konnte ich über die Jahre das Porträt einer verlorene Epoche zusammentragen.

Was macht Hamburg für Sie heute aus?

Der Hafen selber ist ja sehr unsichtbar geworden, völlig anonym. Auf den Terminals sieht man kaum Menschen, alles geschieht automatisch wie in einer Legowelt. Insofern versucht Hamburg sich noch einmal neu zu erfinden, besonders über die Stadtentwicklung, etwa mit der Hafencity. Mit der Elbphilharmonie hat sie es auf die Weltbühne geschafft. Ich finde das großartig. Schließlich gab es im Jahr 2000 auch Vorschläge, die Kehrwiederspitze mit Tankstellen und Parkhäusern zu bebauen. Für mich persönlich ist Hamburg eine angenehme Stadt, um in Ruhe zu arbeiten. Ich mag die Unterschiedlichkeit nebeneinander, die Gegensätzlichkeit auf dichtem Raum.

Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat, einen Lieblingsschnack?

Ein Satz von Herbert Weichmann, 1965 bis 1971 Erster Bürgermeister in Hamburg, den er einst der Speicherstadt ins Stammbuch geschrieben hat: „Höre nie auf, anzufangen, und fange nie an, aufzuhören.“ Damit kann ich mich identifizieren. Alles ist ein Prozess und das Leben muss sich jeden Tag neu finden. Das tue ich beruflich und auch gedanklich.

 

 

Autorin: Herdis Pabst

Titelfoto: Michael Batz © Theater in der Speicherstadt
Foto: Speicherstadtbrücke © Theater in der Speicherstadt
Foto: Buchcover Speicherstadt Story, Geschichten von Handel und Menschen, Verlag Koehler, Artikel-Nr.: 978-3-7822-1277-9, © Theater in der Speicherstadt

30. August 2017 von Redaktion

Kategorien: Hamburg inszeniert, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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