Mein Hamburg: Jan Oberndorff

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Jan Oberndorff von der Schule für Schauspiel Hamburg

Jan Oberndorff gehört zum Leitungsteam der Schule für Schauspiel Hamburg. Er hatte selbst einst dort studiert. 1996 gründete er das Berliner Männerensemble. Bereits für seine erste Regiearbeit von Shakespeares „Romeo und Julia” erhielt er den Kritikerpreis der Berliner Zeitung. Als Schauspieldozent unterrichtete er an verschiedenen Institutionen, bevor er 2011 nach Hamburg kam.

Die Schule ist eine Institution in der Stadt, ihre Abgänger werden oft hier an den Theatern oder in Filmproduktionen tätig. Ist Hamburg ein guter Standort?

Für eine Schauspielschule ist Hamburg ein perfekter Ort. Für mich ist Hamburg eine echte Theaterstadt. Wir können unsere Schülerinnen und Schüler mit der wundervollen Kultur, die es hier gibt, direkt in Verbindung bringen. Es ist ein Privileg, in einer Stadt zu leben, in der es gute Theater gibt und die Freiheit, auch mal ungemütliches Theater zu machen oder mit einer Inszenierung zu scheitern. Hamburg ist natürlich auch eine Handelsmetropole. Hier protzt niemand mit Kultur, trotzdem ist man in der Stadt davon umgeben. So fühle ich mich als Künstler hier gut behandelt.

Wie wichtig ist solch eine Schule für die Stadt?

Wir werden immer wichtiger. Uns gibt es seit 31 Jahren. Das ist natürlich auch das Verdienst meiner beiden Partnerinnen Olivia Rüdinger und Michaela Uhlig, die die Schule gegründet haben. Wir haben es geschafft, in diesen 31 Jahren ein Teil der Kultur in dieser Stadt zu werden. Absolventen und Schüler aus unserem dritten Jahrgang spielen am Thalia Theater und am Schauspielhaus, ebenso an den Kammerspielen, am Altonaer und Ohnsorg Theater. Unsere Absolventen spielen also auf allen Bühnen der Stadt und sind bei vielen Filmproduktionen dabei.

Zum Beispiel?

In den beiden Hamburger Vorabend-Krimiserien: In ˮNotruf Hafenkante“ spielt Aybi Era und beim ˮGroßstadtrevier“ ist Patrick Abozen neu dabei. Er spielte übrigens auch in „Monsieur Claude und seine Töchter“ im St. Pauli Theater. Pheline Roggan war auf unserer Schule, David Schütter, der Enkel von Ernst-Deutsch-Theater-Gründer Friedrich Schütter, und auch Marie Bäumer, die gerade für die Rolle der Romy Schneider ausgezeichnet wurde. Sie gibt auch Workshops an der Schule. Es ist verblüffend zu sehen, wo unsere Absolventen überall auftauchen.

Gibt es eine Unterrichtsphilosophie?

Wir stehen für Vielfalt und unterrichten alle relevanten Schauspielmethoden, die in den vergangenen hundert Jahren entwickelt worden sind. Unsere Studierenden können dann selbst entscheiden, ob sie eher über die Arbeit nach Michael Tschechow, Lee Strasberg oder Konstantin Stanislawski in die Transformation, in die Verwandlung, in die Figur gehen. Wir stellen alles vor, damit jeder herausfinden kann, was für ihn am besten funktioniert. Es geht darum, ein wirkliches Verständnis von dem zu entwickeln, was man in dem Beruf braucht. Der Schauspielberuf verlangt viel Einsatz, Hingabe und Leidenschaft. Da lassen wir vom ersten Tag an keine Missverständnisse zu. Die Ausbildung an der Schule für Schauspiel Hamburg ist unbequem und anspruchsvoll genug, um zu begreifen, worauf es ankommt.

Wer an Ihrer Schule studiert, muss dafür bezahlen. Wie kommen die Studierenden damit klar?

Die Plätze an staatlichen Schulen sind sehr limitiert. Wenn sich 800 Leute auf acht bis zehn Plätze bewerben, dann schickt man zumindest vierzig ebenso Talentierte nach Hause. Für die muss es Orte geben, wo sie genauso gut ausgebildet werden. Und wir sind solch ein Ort. Zur Wahrheit gehört auch, dass nicht alle, die eine Ausbildung durchlaufen, ihr ganzes Leben lang als Schauspieler ihr Geld verdienen werden. Das gibt es aber auch in anderen Berufen. Nach einer Schauspielausbildung nimmt allerdings jeder etwas mit, ist präsenter, kann besser kommunizieren, wird als studierter Schauspieler vielleicht der bessere Anwalt, Arzt, Politiker oder Journalist.

Sie bieten auch Workshops für jedermann an?

Wir bieten Verschiedenes an. Zu uns kommen Menschen, die schon ein Berufsleben haben und sich ausprobieren oder Zugang zu ihrer Fantasie bekommen möchten, oder die an ihrer Stimme oder ihrer Präsenz arbeiten wollen. Wir bieten aber auch Kurse für junge Leute an, die noch unsicher sind und sich erst einmal orientieren wollen. Wir bieten nicht nur das Training an, sondern helfen auch, die Erfahrungen einzuordnen. Das bedeutet manchmal auch, es ehrlich zu sagen, wenn wir nicht genügend Potenzial für den Schauspielerberuf sehen.

Sie selbst haben Theater- und Fernsehrollen gespielt, haben Regie geführt. Wie sind Sie zum Unterrichten gekommen?

Schon vor zwanzig Jahren haben mich Olivia Rüdinger und Michaela Uhlig als Gastdozent eingeladen. Ich habe schnell gemerkt, wie gerne ich unterrichte. Nach vielen Gastdozenturen in Wien, Zürich, Weimar und München fand ich das Angebot, hier in die Schulleitung einzutreten, verlockend. Nun machen wir das seit neun Jahren zusammen und es gibt nichts Schöneres, als jungen Menschen die eigene Leidenschaft zu vermitteln und sie in ihnen zu befördern. Ich habe keine Sehnsucht danach, zu spielen oder zu inszenieren. Es bleibt aber auch keine Zeit. Denn es ist ein Merkmal unserer Schule, dass wir drei in der Leitung mit Haut und Haaren dabei sind.

Als Schauspieler muss man ja auch an Rollen kommen. Helfen Sie bei der Vernetzung?

Wir haben viele Kooperationen: im Film- und Fernsehbereich mit Studio Hamburg, speziell beim ˮGroßstadtrevier“ und  bei ˮRote Rosen“, im Theaterbereich mit dem Altonaer Theater und den Kammerspielen, aber auch mit mehreren Stadttheatern, der Landesbühne Schleswig-Holstein in Rendsburg und mit dem Schlosstheater Celle. Dort spielen Schüler von uns ab dem dritten Ausbildungsjahr. Wir können sie dabei unterstützen, zu begreifen, worum es in dem Beruf eigentlich geht. Wir haben außerdem Kooperationen mit mehreren Hochschulen, mit der Züricher Hochschule der Künste oder mit der Hamburger Theaterakademie. So wird den Studierenden schnell deutlich, wie sehr dieser Beruf von Networking und der kreativen Zusammenarbeit mit anderen Leuten abhängig ist.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie?

Wir möchten die Schule noch internationaler aufstellen. In allen Bereichen des Lebens wird Austausch und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg immer selbstverständlicher. Das wünsche ich mir auch für die Schule. Wir werden uns auf die Suche nach internationalen Partnerschulen begeben und wollen für Studierende aus dem Ausland noch attraktiver werden.

Was wünschen Sie Hamburg?

Für Hamburg wünsche ich mir im Kulturellen größere Risikobereitschaft, mehr Orte, die das konservative Hamburger Publikum in gutem Sinne provozieren, damit wir es uns in unserem Wohlstand nicht zu gemütlich machen.

Wohin lockt es Sie als Privatperson?

Natürlich in die Hamburger Theater. Ich wohne direkt neben dem Schauspielhaus, aber auch das Thalia Theater oder Kampnagel sind nicht weit. Ich liebe den Elbstrand und mag es, um die Alster zu laufen. Es ist ein großes Privileg in dieser Welt, dass ich das alles tun kann.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?

Für mich gilt ein Zitat von Kurt Tucholsky: „Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit.“

 

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Autorin: Herdis Pabst
Titelfoto: Jan Oberndorff © Thomas Leidi
Fotos: Ausbildung an der Schule für Schauspiel Hamburg © SFSH

9. Januar 2019 von Redaktion

Kategorien: Hamburg lehrt, Mein Hamburg, Wissensdurst

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