Mein Hamburg: Martin Aust

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Martin Aust, Leiter des kommunalen Kinos Metropolis

Für Kinofilme hat Martin Aust sich schon als Jugendlicher interessiert. Zu sehen bekam er die allerdings zunächst nur im Fernsehen, denn er ist auf dem Land bei Stade aufgewachsen. Erst als er dann in Hamburg studierte, standen ihm alle Kinos der Stadt offen, besonders aber das Metropolis, das als kommunales Kino gerade frisch eröffnet hatte. Hier fand er schnell einen Job – und blieb. Heute leitet er das Kino und die Kinemathek.

Was bedeutet Ihnen die Stadt?

Von Stade aus haben wir zwar immer auf die große Stadt Hamburg geblickt, aber für uns Kinder und Jugendliche war sie doch weit weg. Ich kam zum Studieren nach Hamburg. Weil ich mich schon damals sehr für Film interessierte, habe gleich einen Job beim damaligen Filmfest bekommen. Denn 1979 probten einige Filmemacher in München den Aufstand, wollten das Kino revolutionieren und kamen nach Hamburg. Hier wurde dann die Filmförderung aus der Taufe gehoben und wenig später das Metropolis Kino gegründet. Diese aufregende Zeit hat mein Leben entscheidend geprägt. Ich habe mit einem Studentenjob im Metropolis angefangen, habe dann die Programmplanung übernommen und leite das Kino nun schon seit etlichen Jahren.

Das Metropolis ist ja ein kommunales Kino. Worin besteht das Besondere?

Wir sind eher wie eine Galerie oder eine Ausstellung. Wir sind kein kommerzielles Kino mit tagesaktuellem Filmangebot, sondern ein Filmmuseum, das dem Filmerbe verpflichtet ist. Die Cinematheque francaise, das Österreichische Filmmuseum , das MoMA in New York sind unsere Vorbilder. Aber unser Programm ist sehr viel breitgestreuter. Das Metropolis macht nicht nur das Filmerbe sichtbar, wir holen auch aktuelle internationale Filme nach Hamburg, die man hier sonst nicht zu sehen bekäme. Außerdem widmen wir uns dem regionalen Filmschaffen und sind für Hamburger Regisseure ein Forum. In Zusammenarbeit mit anderen Institutionen in der Stadt, mit der Sammlung Falkenberg, dem Haus der Fotografie, dem Bucerius Kunst Forum, mit der Kunsthalle oder mit der Oper, zeigen wir jeweils begleitende Filmprogramme.

 

Welche Bedeutung hat denn so ein kommunales Kino für die Stadt?

Wie jede Großstadt Museen braucht, braucht sie auch eine Kinemathek und ein Filmmuseum. Nur dort kann man Werke der Filmgeschichte erleben. Wenn wir Stummfilme mit Livemusik zeigen, ist das für unsere Besucher immer ein ganz besonderes Ereignis. Ob man eine Oper braucht, wird nicht hinterfragt, ein kommunales Kino schon. Vom kommerziellen Gesichtspunkt hat sich der Film in seiner Geschichte nicht lösen können. Film ist zunächst ein kommerzielles Gut, das produziert wird, um damit Geld zu verdienen. Man muss dafür kämpfen, dass Film auch als Kulturgut akzeptiert wird.

Als kommunales Kino werden Sie von der Stadt Hamburg unterstützt?

Zum Glück haben wir die volle Unterstützung der Kulturbehörde, auch wenn unser Etat etwa im Vergleich mit dem des Münchner Filmmuseums klein ausfällt. Zwei Drittel unseres Budgets finanziert die Stadt, ein Drittel spielen wir selbst ein. Als gemeinnütziger Verein ist gewinnorientiertes Arbeiten nicht vorgesehen und von unserer Aufgabe her auch nicht möglich. Leider ist unser Etat seit vielen Jahren konstant, während die Kosten, insbesondere auch die Löhne, gestiegen sind. Es ist schade, dass wir so immer weniger für die Programmarbeit zur Verfügung haben. Aber es ist trotzdem ein toller Job, der mir sehr viel Spaß macht.

Es gibt nicht nur das Kino, sondern dazu gehört auch die Kinemathek?

Die Filmsammlung in unserer Kinemathek umfasst inzwischen etwa 6.000 Kopien. 650 davon sind Filme, die von der Filmförderung ohne Geld vom Bund finanziert wurden und deshalb nicht im Bundesarchiv verwahrt werden. Vor ungefähr zwanzig Jahren haben wir begonnen, Filme zusammenzutragen, weil es immer schwieriger wurde, an Kopien zu kommen. Viele Filme waren entweder in extrem schlechtem Zustand oder einfach verschwunden, weil die Verleiher sie aus ihrem Repertoire genommen haben. Wir wollten die Filme sichern. Inzwischen lagen wir auch DCPs ein, den digitalen Datenträger für Kinofilme. Wir bestücken unser Programm immer wieder aus unserer Filmsammlung, verleihen aber auch weltweit.

Haben die Archive nicht begonnen, Filme zu digitalisieren, um sie zu bewahren?

Das deutsche Filmerbe zu sichern, ist eine Mammutaufgabe und eine sehr kostspielige. Zwanzig der 650 Hamburg-Filme konnten wir inzwischen mit Mitteln der Kulturbehörde digitalisieren, mehr nicht.  Selbst bei den neuen Filmen, die es ja auf einem digitalen Datenträger gibt, ist die Verwahrung schwierig. Die Verleiher sortieren sie nach einem halben Jahr aus ihrem Repertoire. Und niemand weiß, wie lange die digitalen Träger haltbar sind oder noch abgespielt werden können. Wer kann zum Beispiel heute noch VHS-Kassetten anschauen? Wer weiß, wie es sich bei DVD oder Blu-ray entwickeln wird? Von Hark Bohms Film ˮNordsee ist Mordsee“ (am 5. Mai im Rahmen von ˮEine Stadt sieht einen Filmin vielen Hamburger Kinos zu sehe, Anm.d.R.) war zum Beispiel nur noch schlechtes DVD-Material verfügbar. Den haben wir jetzt mit den überregionalen Mitteln der FFA, der Filmförderungsanstalt, digitalisieren können. Wir brauchen aber mehr Möglichkeiten, um unsere regionalen Filme zu erhalten, also die, die in Hamburg entstanden sind, die das Bild der Stadt zeigen und die Arbeit Hamburger Regisseure dokumentieren.

Können die Kinos denn überhaupt noch Filmmaterial zeigen?

Tatsächlich gibt es kaum noch Kinos, die Filmmaterial zeigen können. Außer dem Metropolis haben Hamburgs kleine Kinos, das B-Movie und das Lichtmeß, noch Projektoren. Das Savoy kann als einziges Hamburger Kino noch 70mm-Filme wie ˮBen Hur“ oder ˮCleopatra“ zeigen, oder ˮThe Hatful Eight“ von Quentin Tarantino, einer der neueren Filme, die so gedreht wurden. Mit den schwindenden Projektoren geht leider auch das Know-how verloren, mit Filmkopien umzugehen. Oft bekommen wir verliehene Kopien kaputt zurück.

Das Metropolis ist als Kino ja auch ein besonderer Ort?

Wir hatten Glück, dass der Kinosaal unter Denkmalschutz steht. 1952 ist es als Nonstop- und Aktualitätenkino eröffnet worden. Als an seinem Standort in der Dammtorstraße neu gebaut werden sollte, bekam der Investor die Auflage, das Kino zu erhalten. Das Interieur wurde vorsichtig abgebaut, alles katalogisiert, nummeriert, aufgeschrieben, fotografiert und dann eingelagert. Im Keller des Neubaus entstand ein Raum fürs Kino maßstabsgetreu. Dort wurde das Interieur wieder eingebaut, alles unter dem wachsamen Auge des Denkmalschutzes. Es ist großartig, dass so das alte Kino erhalten wurde. Nun kommt der Zuschauer in ein modernes Gebäude mit viel Sichtbeton, betritt dann aber einen Kinoraum aus den 1950er Jahren. Das ist  ein Aha-Erlebnis. Inzwischen ist auch der Investor stolz darauf und führt das Kino immer wieder Architekten und Bauherren vor. Die Seele des Hauses steckt hier im Keller.

Wodurch ist Ihre Filmleidenschaft eigentlich geweckt worden?

In meiner Kindheit auf dem Land war das nächste Kino weit weg, aber es gab damals wunderbare Fernsehsendungen über Kinofilme, etwa ˮDer Film-Club“ dienstags beim NDR. Da gab es außergewöhnliche französische oder amerikanische Kinofilme. Oder die Reihe ˮDas Gruselkabinett: Mumien, Monstren, Mutationen“ samstagnachts – das durfte ich zwar eigentlich nicht sehen, aber irgendwie habe ich es trotzdem geschafft. Dann kam ich nach Hamburg in die große Stadt und das Kinoangebot stand mir offen. Als das Metropolis unter Heiner Roß eröffnete, bekam dort einen Job. Da habe ich zum ersten Mal einen Stummfilm mit Livemusik gesehen. Kino hat mich einfach fasziniert.

Wie sieht Ihre Zukunftsvision fürs Kino in Hamburg aus?

Ich hoffe, dass die Menschen weiterhin ins Kino gehen. Die Streamingdienste können das Kinoerlebnis nicht ersetzen. Der Erfolg vom Astor in der Hafencity zeigt das ja gerade. Wir müssen uns allerdings der Herausforderung stellen, Kinos so zu gestalten, dass es für die Zuschauer zu einem besonderen Erlebnis wird, in entsprechendem Ambiente, aber auch durch besondere Veranstaltungen mit Gästen, Gesprächsrunden oder Einführungen. Und ich hoffe, dass die Stadt mehr Geld für Digitalisierungen zur Verfügung stellt, um das regionale, hamburgspezifische Filmerbe zu retten.

Wohin lockt es Sie in Hamburg als Privatperson?

Gleich hier um die Ecke ist Planten un Blomen. Mich zieht es oft an diesen schönen Ort. Und dann habe ich über eine Reitbeteiligung ein Pferd und reite gerne im Klövensteen. Das ist ein wunderbares Gelände. Da kann man gut spazieren gehen und zum Reiten ist es ideal.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?

Nein, ich habe noch nicht einmal einen Lieblingsfilm. Jeden Monat denke ich an einen anderen, den ich gerne mal wieder sehen möchte, zuletzt ˮCarmen von St. Pauli“, den wir vor Kurzem gezeigt haben – ein wunderbarer Hamburg-Film.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Titelfoto: Martin Aust © Metropolis / Kinemathek Hamburg e.V.
Foto:  Metropolis Kino © Metropolis / Kinemathek Hamburg e.V.

24. April 2019 von Redaktion

Kategorien: Hamburg filmt, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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