Wie Filme Geschichte schreiben

Beim Cinefest zeigen Hans-Michael Bock und sein Team ab 19. November im Metropolis Kino Filmschätze, die in den Archiven schlummern.

Mit Leidenschaft auf Spurensuche

13 000 Seiten, schätzt Hans-Michael Bock habe er wohl schon veröffentlicht und noch immer schreibt er mit seinem Team von CineGraph, dem Hamburgischen Centrum für Filmforschung, dieses einzigartige Filmlexikon zum deutschsprachigen Film fort. In der mehrbändigen Loseblattsammlung trifft der Leser auf die Bio- und Filmografien all jener Deutschen, die hier oder woanders an der Realisation von Filmen mitarbeiteten, und auch auf jene, die nach Deutschland kamen, um Filme zu machen. Mit immer neu entfachter Leidenschaft begibt sich Hans-Michael Bock auf detektivische Spurensuche nach all jenen Details, die die Filmschaffenden und ihre Werke schließlich in den historischen Zusammenhang politischer, gesellschaftlicher und technischer Entwicklungen einordnet.

Cinefest – ein Festival des deutschen Film-Erbes

Hans-Michael Bocks Filmwissen verschwindet jedoch nicht nur zwischen Buchdeckeln, sondern erstrahlt auch auf der Leinwand. Einmal im Jahr lädt CineGraph im Metroplis Kino zum Cinefest, einem neuntägigen Festival des deutschen Film-Erbes und nimmt die Zuschauer mit auf eine spannende Reise durch vergangene Filmwelten. In diesem Jahr geht es vom 19. bis 27. November um „Gebrochene Sprache“, um Filmautoren im Exil, die trotz der fremden Sprache mit ihren Filmvorlagen Filmgeschichte schrieben, etwa mit „Ninotschka“ mit Greta Grabo oder Tevfik Başers „Lebewohl  Fremde“.

Unermüdlich

Hans-Michael Bocks Filmleidenschaft hat früh begonnen. Schon als Fünfzehnjähriger hielt er Einführungsvorträge im Filmklub der Volkshochschule, später drehte er Dokumentarfilme für den NDR. 1978 begeisterte er den Verlag Edition Text und Kritik für die Idee eines Lexikons zum deutschen Film und begann lange vor den PCs und noch länger vor dem Internet eine computerbasierte Datenbank anzulegen. Die größte Filmdatenbank Deutschlands hat inzwischen mehrere Systemwechsel hinter sich.

Hamburg wird Mittelpunkt der Filmforschung

Zu seinem internationalen Netzwerk mit Filmhistorikern gehörte auch der Kontakt zum Staatlichen Filmarchiv der DDR, in das mit dem ehemaligen Reichsfilmarchiv ein großer Teil des deutschen Filmerbes übergegangen war. Mit dessen Unterstützung startete Hans-Michael Bock 1988 eine ausführliche Werkschau von DEFA-Filmen und eine Werkschau des Hamburger Schauspielers und Regisseurs Reinhold Schünzel zu dessen hundertstem Geburtstag. Zu diesem Anlass kamen Filmwissenschaftler zum ersten Internationalen filmhistorischen Kongress zusammen. Seither erörtern über hundert Kongressgäste jedes Jahr ein filmhistorisches Thema in Hamburg.

Eintauchen in fremde Filmwelten

Längst hat sich das Cinefest als Publikumsfilmfest etabliert. Diesmal lernen die Zuschauer russische Drehbuchautoren kennen, die in den zwanziger Jahren nach Berlin kamen, oder deutsche, die während der Nazizeit in andere Länder flohen, auch Autoren aus dem Ostblock, die während des Kalten Krieges in den Westen kamen, Chilenen, die in  der Pinochet-Zeit gleichermaßen in DDR und BRD immigrierten und türkische Filmschaffende, die auch in Hamburg eine neue Heimat fanden. Und ganz nach Hans-Michael Bocks Lebensmotto wird auch dieses Festival Unentdecktes sichtbar machen.

 

Autorin: Herdis Pabst

Foto:  Jutta Hoffmann, Hans-Michael Bock © Swenja Schiemann

 

16. November 2016 von Redaktion

Kategorien: Hamburg inszeniert, Kulturgenuss

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