Mein Hamburg: Axel Schneider

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Theaterintendant Axel Schneider.

Axel Schneider leitet erfolgreich das Altonaer Theater, das Harburger Theater, die Kammerspiele, das Haus im Park in Bergedorf und die Burgfestspiele in Jagsthausen. 2012 hat der gebürtige Hamburger die jährlich in Hamburg stattfindenden Privattheatertage initiiert. Immer wieder führt er auch selbst Regie.

Sie prägen das kulturelle Leben der Stadt. Was macht für Sie die Stadt aus?

Es gibt hier eine großartige Mischung aus Bürgerlichkeit und Freigeist, das mag ich sehr. Es gibt eine gewisse Weltläufigkeit, auch wenn Hamburg nur „das Tor zur Welt“ ist… Ich mag das Künstlerflair von Ottensen, wo ich wohne, aber auch die grünen Seiten der Stadt. Ich habe hier meine Wurzeln, meine Eltern leben hier, meine Kinder sind hier geboren. Ich kenne jeden Stein. Das ist eben Heimat.

Als Sie die Intendanz am Altonaer Theater 1995 übernommen haben, waren Sie nicht nur der jüngste Intendant Deutschlands. Sie übernahmen auch ein Theater, das als ziemlich angestaubt galt. Hat Sie das nicht abgeschreckt?

Tatsächlich wollten deshalb sogar einige Freunde gar nicht in dieses Theater kommen. Aber so konzeptionell habe ich gar nicht gedacht, sondern die Chance wahrgenommen, die mir die Kulturbehörde bot, und freute mich über den Vertrauensvorschuss. Aus heutiger Sicht war das ein großes Wagnis, das wir wohl nur eingegangen sind, weil wir so jung und naiv waren. Die zweite Spielzeit hat uns damals auch an den Rand der Wirtschaftlichkeit gebracht, da nach der Anfangseuphorie auf einmal „jeder Handschlag“ marktgerecht bezahlt werden musste. Das Theater war ja eine Saison geschlossen, die Subventionen von 3,5 Millionen Mark waren schon gestrichen. Ich habe mit nur 150.000 Mark angefangen.

Dann kamen im Laufe der Zeit drei weitere Theater in Hamburg hinzu. Wie bekommen Sie das unter einen Hut, wie bewahren Sie das Spezifische an den Häusern?

Das Harburger Theater hat ein ganz anderes Einzugsgebiet als z.B. das Haus im Park in Bergedorf und erst recht die Hamburger Kammerspiele oder das Altonaer Theater. Es gibt also ein unterschiedliches Publikum und daher muss es auch unterschiedliche Spielpläne geben. Mir macht gerade Spaß, dass die Häuser so unterschiedlich sind. Das ist aber auch eine große Herausforderung. Das Zauberwort heißt dadurch auch: Synergien. Die Häuser haben jeweils ein speziell auf sie zugeschnittenes Programm, ergänzen einander aber auch im Spielplan. Die Stadt spart im Jahr zwischen 400.000 bis 600.000 Euro durch diese „Quernutzung“ verschiedener Produktionen, die man sonst zusätzlich bräuchte, um die Häuser einzeln zu betreiben.

Hamlet © Sabine Haymann

Sie mussten sich ja damals gegen viel Misstrauen behaupten.

Nur die Anfangszeit in den Kammerspielen war schwierig, wir hatten zwei Jahre massiven Gegenwind. Die Stadt hatte mir zusätzlich zum Altonaer Theater das Harburger Theater überantwortet, zuvor sollten wir schon mal Das Theater im Zimmer übernehmen, als Jürgen Hunke mich fragte, ob ich die Kammerspiele übernehmen wolle. Dass einem Sechsunddreißigjährigen drei Hamburger Theater in den Schoß fallen sollten, passte vielen nicht. Ich war schließlich nicht prominent wie Dominique Horwitz, der zuvor im Gespräch war oder Ulrich Tukur. Man hatte wohl Angst, dass ich der Tradition der Kammerspiele nicht gerecht würde, dabei wurde schon 2004, also kurz nach der Übernahme, „Eisen“ mit Monica Bleibtreu zum Norddeutschen Theatertreffen eingeladen.

Mit den Burgfestspielen Jagtshausen leiten Sie nun fünf Spielstätten und inszenieren auch.

In diesem Jahr, unserem fünften, haben wir nur „Der bewegte Mann“ aus dem Altonaer Theater übernommen. Die anderen Stücke werden originär für Jagsthausen inszeniert. Weil ich nicht so viele Wochen dort sein kann, habe ich in Hamburg „Die drei Musketiere“ und das Kinderstück „Kleine Rabe Socke: Alles meins“ vorgeprobt.

Le Mouche © Lutz Edelhoff

Kaum hat das Open Air Festival dort eröffnet, beginnen in Hamburg am 19. Juni die Privattheatertage. Was hat Sie gereizt, dieses Festival zu entwickeln?

Ich komme vom Staatstheater, habe aber auch in der freien Szene gearbeitet und bin inzwischen bekennender Privattheaterleiter. Irgendwann fiel mir auf, dass die Privattheater deutschlandweit zwar mehr Publikum haben als die Stadt- und Staatstheater, aber vergleichsweise weniger wahrgenommen werden. Ich habe ein Konzept für ein Festival entwickelt, aber erst als wir Unterstützung vom Bund bekamen, wurde es finanzierbar. Seither bewerben sich immer mehr Theater deutschlandweit um eine Einladung. Das fördert die Wahrnehmung, aber auch den Austausch untereinander ungemein: Regisseure und Schauspieler lernen sich kennen, aber auch die unterschiedlichen Strukturen und Finanzierungswege an den einzelnen Theatern werden besprochen. Gerade in diesem Jahr präsentieren wir mit den Privattheatertagen einen Blumenstrauß unterschiedlichster Stücke und unterstreichen damit die Vielfalt in der Privattheater-Szene.

Tanja Wedhorn und Oliver Mommsen in Die Tanzstunde © Barbara Braun

Wie sind sie eigentlich zum Theater gekommen?

Es gibt in meiner Familie keinen einzigen Künstler. Auch ich habe erst einmal eine Kaufmannslehre gemacht. Irgendwann habe ich angefangen zu schreiben, unter anderem ein Theaterstück: „Die Wette – (keine) Komödie zur Französischen Revolution“. Weil ich einer Lehrerin bei ihrer Theaterarbeit an der Schule über die Schulter geguckt habe, schlug mein damaliger Herausgeber vor, ich sollte es doch selber inszenieren. Es gab dann am Pädagogischen Institut hier in Hamburg vier ausverkaufte Aufführungen. Martin Woelffer, heute Direktor vom Theater am Kurfürstendamm, bot mir daraufhin an, nach Berlin zu kommen. Ich wurde einer der vier Leiter an der magazin-Bühne, einer Hinterhofbühne am Ku‘damm.

Was hat Sie wieder zurück nach Hamburg gebracht?

Als die Westberliner Bühnen nach der Wende einen Zuschauerrückgang erlitten, wurde das magazin Theater geschlossen. Ich habe dann als Regieassistent bei Michael Bogdanov und Jérôme Savary gearbeitet. Kurzzeitig war ich auch Marketingleiter an den Kammerspielen. Seit 1991 habe ich selbst inszeniert, unter anderem an der Komödie im Winterhuder Fährhaus. 1995 habe ich dann das Altonaer Theater übernommen. Das war ein Riesenglück. Auch als Regisseur konnte ich mir nun die Projekte immer aussuchen. Ich war also mein Leben lang in einer unglaublich bevorzugten Position.

Was wünschen Sie sich für die Privattheater in Hamburg?

Der Ruf nach mehr Geld (von außen) ist natürlich immer vermeintlich einfach. Aber wir sind an einem Punkt, an dem die Kosten explodieren. Zusätzlich ist mit der Elbphilharmonie, dem Mehr! Theater am Großmarkt und First Stage Hamburg die Konkurrenz größer geworden. Dabei würde ich gerne einmal für meine tollen Mitarbeiter, die ich auf einem schwer erträglichen Gehaltsniveau halten muss, das Füllhorn aufmachen. Doch davon sind wir weit entfernt. Die Sommermonate brauchen die Rücklagen, die wir im Winter bilden können, regelmäßig auf.

Hungaricum © Daniela Aldinger

Welche Zukunftsvision haben Sie für Hamburg als Theaterstadt?

Hamburg ist bekannt als Musicalstadt, vielleicht noch nicht als Konzertstadt, aber ganz sicher als Elphi-Stadt. Als Theaterstadt dagegen ist Hamburg nicht bekannt, obwohl wir starke Theater haben. Ich würde mich freuen, wenn dieses Image aufgewertet würde.

Wenn Sie tatsächlich einmal Zeit für Privates haben, wo zieht es Sie hin in Hamburg?

Grundsätzlich in die Natur. In meiner Freizeit verbringe ich viel Zeit mit meiner Familie. Da ich viel unterwegs bin auch gerne zu Hause. Ansonsten zieht es mich an die Elbe, das ist auch meine Laufstrecke, gelegentlich in den Klövensteen. Ich liebe aber auch das Alstertal, da bin ich aufgewachsen. Hamburg ist eine herrlich grüne Stadt.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?

Ein Plakat von meinem guten Freund Artur Dieckhoff, der die Druckkunst „Schwarze Kunst“ beherrscht und schon die Programmzettel für mein Amateurtheater gedruckt hat, hängt über meinem Schreibtisch mit dem Satz „Ja, Artur, alles wird gut“. Wenn ich dann mal genervt bin, schaue ich vom Computer auf, zu diesem Spruch und weiß, dass es weiter geht.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Titelfoto: Axel Schneider © Bo Lahola

13. Juni 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg inszeniert, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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