Schirm & Co.

Erstklassig abgeschirmt

Regenschirme sind zu Wegwerf-Artikeln geworden. Dabei können sie Kulturgut sein. Das beweist Carola Vertein mit ihrem Team.

Der Anblick ist grausam. Nach jedem Unwetter finden sich in der Stadt Regenschirmleichen. Mit gebrochenen Rippen, geknickt und zerfetzt liegen sie auf den Straßen. Der Grund: Es sind Geräte von geringster Qualität. Die Schirme halten einem Mairegen stand, aber nicht dem norddeutschen Wind.

Woran man einen guten Schirm erkennt? Carola Vertein, deren Familie seit fünf Generationen das Geschäft „Schirm & Co.“ betreibt, führt es vor. Das Gestell besteht aus europäischen Stahlstangen, der Stock aus echtem Holz, das Dach aus einem strapazierfähigen Stoff.

„Unter diesen Schirmen haben sich früher Menschen verliebt“, schwärmt Carola Vertein. Und weil zudem ein solcher Schirm eine hohe Spannung besitzt, gebe es diesen ganz besonderen Klang, wenn die Regentropfen auf den Stoff trommeln. Gewissermaßen im Takt der Tropfen.

Schirm & Co.

Zwischendurch betritt ein Kunde den Laden, fragt nach einer Reparatur. Vertein wirft einen Blick auf das Objekt. „Das lohnt sich ga‘ nicht“, sagt sie rundheraus im schönsten Hamburgisch, „das würde 30 Euro machen, so’n Schirm kostet aber neu bloß 9,90.“

Das Problem sei die Flut der Billigware. Carloa Vertein fasst die Unkultur in einen Satz: „Diese Schirme sind immer kaputt und machen keinen Spaß.“ Die Leute behandeln sie schlecht, weil sie sie nicht lieben. Es geht anders, aber das dauert.

Der Mensch müsse zwei Dutzend schlechte Schirme verbrauchen, bis endlich der Wunsch nach Qualität auftaucht, so Carola Vertein. Darüber gehen Jahre ins Land: „Unser durchschnittlicher Kunde ist nicht so jung.“

„Ein guter Schirm erspart die eine oder andere Taxifahrt“

Dabei seien die Leute eigentlich leicht zu begeistern, denn ein zuverlässiger, vielleicht sogar handgefertigter Regenschirm sei kein Luxus, sondern ein extrem nützlicher Gegenstand, so Carola Vertein. Klar, ein guter Schirm hat seinen Preis. Doch teuer sei er nicht, rechnet Carola Vertein vor: „Er erspart die eine oder andere Taxifahrt.“

Gibt es Moden? Carola Vertein zeigt einen pinkfarbenen Tulipanschirm, es gebe auch andere Nischenprodukte wie Gothic- oder Westernschirme. Auch Sonnenschirme. „Die gehen aber kaum, die Hamburger haben ja keine Angst vor der Sonne“, strahlt Carola Vertein.

Ihren Meister als Schirmmacherin hat Carola Vertein nicht mehr machen können, die Innung löste sich 1999 auf. Aber sie hat alles, was man über das Handwerk wissen kann, von ihrem Vater gelernt. „Ich mag das Dauerhafte“, sagt sie.

Schirm & Co.

Carola Vertein nimmt eine noch nicht fertige Arbeit in die Hand: Cocobolo-Holzgriff, Ebenholzstock, dazu wünscht der Kunde einen dunkelblauen Stoff. Nun gut, die Farbe hätte Carola Vertein nicht gewählt, aber so sei eben der hanseatische Geschmack. „Ein solcher Schirm hält leicht fünf oder sechs Jahrzehnte“, sagt Carola Vertein.

Einige hundert handgemachte Schirme verkauft „Schirm & Co.“ pro Jahr. Dazu kommen weitere in Europa produzierte, der Rest kommt aus Asien.

Carola Vertein arbeitet heutzutage drei Tage die Woche im Geschäft. Die andere Zeit verbringt sie auf ihrem Hof bei Bad Segeberg mit Imkerei. Das sei übrigens das ideale Hobby für Schirmhändler: „Bei Sonnenscheint arbeite ich mit den Bienen, bei Regen bin ich bei den Schirmen.“

Autor: Hilmar Schulz

12. Mai 2014 von Redaktion

Kategorien: Hamburg produziert, Unternehmenslust

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