MOVE Hamburg: Betriebliche Mobilität neu denken

Hamburg ist ein Organismus mit wachsendenden Bedürfnissen: Ein Drittel des Verkehrs entsteht alleine durch Anlieferungen oder Abholungen sowie Dienstfahrten. Was Hamburg am Laufen hält, macht sich auf den Straßen bemerkbar: Stau und schlechte Luft rufen nach besseren Lösungen für Mobilität. Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) arbeitet mit „MOVE Hamburg“ und Unternehmen aus allen Branchen an nachhaltigen Lösungen. Welche Vorteile das Projekt für die Unternehmen hat, erklärt Tobias Merten, Leiter Verkehr und Verkehrsinfrastruktur im Mobility Innovation Team der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY).

Herr Merten, was haben Unternehmen davon, nachhaltige Mobilität in ihren jeweiligen Betrieb zu integrieren?

Innovative Mobilitäts-Angebote können den Standort eines Unternehmens attraktiver machen. Ein gutes Beispiel ist das Industrie- und Gewerbegebiet Billbrook, wo in über 1.000 Unternehmen mehr als 20.000 Menschen arbeiten. Eigentlich ist die Lage sehr gut, aber bei der heutigen Verkehrsanbindung ist der Standort für Mitarbeiter schwer zu erreichen. Für die Unternehmen dort ist es deshalb nicht leicht, gute Fachkräfte zu finden. Wenn diese Unternehmen alternative und attraktive Angebote für das tägliche Pendeln entwickeln, dann verschaffen sie sich einen wichtigen Vorteil im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter.

Was ist aus Ihrer Sicht noch hilfreich?

Genauso wichtig ist heute ein gutes Gesundheitsmanagement. Bei dem Projekt MOVE Hamburg schauen wir auf das Fahrrad und andere Fortbewegungsmittel, die beim Weg zur Arbeit den Körper mit ins Spiel bringen. Wer mit einem gesunden Mobilitätskonzept in seinem Betrieb ein Beispiel setzt, bringt damit auch sein Image in der Öffentlichkeit voran.

Welche Ideen gibt es für eine bessere Mobilität in Gewerbegebieten?

Das Industriegebiet Billbrook und die angrenzenden Stadtteile wurden als Entwicklungsgebiet für die Mobilität der Zukunft ausgesucht. Im Rahmen des Projektes MOVE Hamburg wollen wir bereits laufende Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrs- und Mobilitätssituation in dem Gebiet durch innovative Angebote ergänzen.

Welche sind dies?

Neben einem stationsbasierten Carsharing-Angebot und einem elektrischen Rollersharing werden wir auch eine Mitfahrzentrale einrichten. Dabei sollen sich Mitarbeiter von verschiedenen, benachbarten Unternehmen via App für gemeinsame Fahrten verabreden können. Zudem soll eine Mobilitäts- und Informationsplattform für Pendler eingerichtet werden, auf der die verschiedenen Mobilitätsangebote und deren Vorteile für jeden Pendler individuell aufgezeigt werden, um einen Umstieg auf Alternativen zum Auto zu fördern.

Wie unterstützen Sie die Unternehmen bei der sinnvollen Auswahl und Umsetzung neuer Mobilitätskonzepte?

Unser Ziel ist es, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Wir gehen mit dem Komplettangebot aus Carsharing, Elektro-Rollern, Lastenrädern, Mobilitätspunkten und Apps auf die Unternehmen zu. Diese haben dann die freie Auswahl aus dem Katalog von Möglichkeiten. Darüber hinaus unterstützen wir die Unternehmen beim Auswahlprozess, indem wir zum Beispiel Analysen durchführen, um deren Bedarf genau zu verstehen.

Nach welchen Kriterien gehen Sie dabei vor?

Ganz wichtig ist es, mit Dienstleistungen zu arbeiten, die schon funktionieren. MOVE Hamburg bietet einen Zugang zu erprobten Lösungen und dient als Plattform für einen Erfahrungsaustausch. Am Ende entscheiden die Unternehmen selbst, mit wem und in welchen Bereichen sie an einer neuen Mobilität arbeiten wollen. Für uns ist vor allem wichtig, sie in den Testphasen der Lotsenprojekte zu begleiten und alle Aspekte genau anzusehen: von der notwendigen Infrastruktur über die Anpassung der operativen Prozesse bis hin zu Investitionen, die getätigt werden müssen. Schließlich wollen wir Blaupausen für alle Unternehmen entwickeln, die den Pionieren folgen möchten.

Sind Hamburger Firmen schon erfolgreich auf nachhaltige Mobilität umgestiegen?

Es gibt viele gute Beispiele in der Hamburger Unternehmenslandschaft. Die Beiersdorf AG ist in diesem Bereich zum Beispiel sehr aktiv und macht den Mitarbeitern attraktive Angebote: Fahrräder für den Dienstweg, das HVV-ProfiTicket und Motivation für nachhaltige Mobilität gehören dort zum Standard. Darüber hinaus gibt es auch Pioniere wie den Handwerksbetrieb Koop, der sich heute schon komplett mit Elektromobilität bewegt und seine eigene Solarenergie erzeugt.

Wie wurden die Lotsenprojekte von MOVE Hamburg strukturiert, damit vom kleinen Betrieb bis zum großen Unternehmen jeder einsteigen kann?

Wir gucken uns alle Arten von Verkehr an, die von Unternehmen erzeugt werden. Da gibt es eine große Vielfalt. Ein besonderer Fokus liegt auf den Pendler-, Werks- und Lieferverkehren in Hamburg, insbesondere auf den Handwerksverkehren. In der Stadt gibt es sehr viele kleine Unternehmen, wie zum Beispiel Handwerksbetriebe mit fünf bis zehn Mitarbeitern. Diese haben sehr großes Interesse, besonders an Elektromobilität und Lastenrädern, aber kaum Zeit und Kapazitäten, sich damit intensiv auseinanderzusetzen. Hier setzen wir mit dem MOVE Projekt an. Beispielsweise stellen wir solchen Betrieben neben einer persönlichen Beratung Übersichten möglicher Fördermittel oder Übersichten zu geeigneten Elektrofahrzeugen zur Verfügung.

Ende Mai hat MOVE Hamburg zum STADTRADELN aufgerufen. Warum sind solche Mitmach-Aktionen wichtig?

Die Aktion STADTRADELN findet dieses Jahr erstmals in Hamburg statt und das mit großem Erfolg. Mehr als 200 Teams mit weit über 2.500 Radlern haben bis jetzt schon über 300.000 Kilometer zurückgelegt, was einer CO2-Vermeidung von über 40.000 Kilogramm entspricht. Aktionen wie das STADTRADELN sind besonders geeignet, um die Mitarbeiter in Unternehmen auf eine spielerische Art zu motivieren, über das Thema Mobilität nachzudenken.

Was geschieht nach dem Ende der Aktion?

Im Anschluss werden wir interessierten Unternehmen in Workshops ähnliche Ansätze und App-Lösungen vorstellen, mit denen man einen kleinen Mobilitäts-Wettbewerb zwischen Teams und Kollegen fördern kann. Es liegt uns einfach nicht im Blut, von selbst die Routine aufzubrechen und neue Wege zur Arbeit zu suchen. Anreize wie besonders schöne Routen zeigen, dass es sich lohnt, aus der Komfortzone herauszukommen.

 

 

Autorin: Julia Barthel
Foto: Collage © Ernst & Young GmbH Hamburg | Fotograf Ole Hoffmann

20. Juni 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg wächst, Wissensdurst

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