Tidenkieker

Mit dem Tidenkieker in die Urlandschaft

Raus aus dem Alltag mit dem Tidenkieker. Eine Tour mit einem Flachbodenschiff durch die Elbmarschen ist ein besonders intensives Erlebnis.

Langsam steuert der Käpitän den „Tidenkieker“ aus dem Haseldorfer Hafen in einen der vielen Arme der Nebenelbe. Er kennt die Untiefen auch ohne die Priggen, die die gewundene Fahrrinne markieren. Das 2005 erbaute Flachbodenschiff kommt sowieso dorthin, wo andere steckenbleiben würden – sein Tiefgang beträgt lediglich 50 Zentimeter.

So gleiten die Passagiere vorbei an Schilfinseln, Röhrichtgürteln, Auwald. Und tauchen nur wenige Kilometer von der Stadtgrenze Hamburgs entfernt ein in eine unbekannte norddeutsche Urlandschaft.

Exkursionen in die Natur statt Büro-Alltag

Während der Motor leise grummelt, versorgt Gerhard Bornholdt die Fahrgäste mit Hintergrundinformationen. Er hat lange im Innendienst einer Versicherung gearbeitet: „Da will man raus.“

Vor fünf Jahren ließ sich der Vorruheständler zum Natur- und Landschaftsführer weiterbilden. Jetzt begleitet er auch den Tidenkieker auf Exkursionen in die Haseldorfer Marsch.

Mit dem Schilf auf Tuchfühlung
An Deck des Tidenkiekers gehen die Passagiere mit dem Schilf auf Tuchfühlung.

Früher haben deren Bewohner das Schilf geschnitten und zum Dachdecken verwendet. Jetzt kommt das Reet aus dem Donaudelta. Binsen wurden noch bis 2012 nach Worpswede verkauft, um Stühle damit zu bespannen.

Die Wasserqualität der Nebenelbe hat sich stark verbessert, heute sind dort fast 100 Fischarten zu finden. Bei Niedrigwasser liegen Seehunde auf den Schlickbänken, und manchmal tauchen sogar Schweinswale auf. Natürlich ist das gesamte Gebiet ein Eldorado für Vogelkundler.

War das ein Seeadler? Die Passagiere staunen!

Als das Boot den toten Altarm der Pinnau passiert, glaubt Gerhard Bornholdt, einen Seeadler zu erkennen. 50 Augenpaare heften sich auf einen Punkt vor den Weidenbäumen. Einige Passagiere spähen durch Ferngläser, alle Fotoapparate sind bereit. Doch der Adler, wenn es denn überhaupt einer war, zeigt sich nicht mehr.

Gerhard Bornholdt greift zum Mikrofon: „Wir nehmen jetzt Kurs auf eine einsame Insel.“ Pagensand liegt einen Kilometer vom Ufer in der Elbe und war einmal eine Sandbank. Als man Anfang des 20. Jahrhunderts begann, die Elbe auszubaggern, wurde der Schlick hier abgeladen, später aufgespült. Heute ist die Insel bis zu 14 Meter hoch.

Tidenkieker

Der Käpitän legt die Planke aus und entlässt die Passagiere zum Landgang. „Bis morgen früh“, ruft er ihnen feixend hinterher, „wir bringen dann Kaffee und Brötchen mit.“

Gerhard Bornholdt führt die Gruppe durch Wald und Wiesen. Bis 1998 gab es hier noch einen Bauernhof und eine Gaststätte. Heute ist Pagensand Naturschutzgebiet, von den Gebäuden steht nichts mehr.

Drei Stunden Abtauchen in eine andere Welt

Dafür weist Gerhard Bornholdt auf eine unauffällige Attraktion. Der Wald lichtet sich. „Magerrasen!“, ruft er begeistert. Hier auf nährstoffarmen Boden habe sich eine unfassbare Artenvielfalt ausgebildet: Biologen haben 160 verschiedene Pflanzenarten gezählt. Entsprechend groß ist die Zahl der Insekten.

Pagensand ist lang, aber schmal, der Weststrand nah, dort wartet dann doch schon der Tidenkieker. Am gegenüberliegenden Stader Ufer zieht sich der Aluminiumhafen hin, es geht vorbei an der Dow Chemical-Fabrik, dahinter ist die Silhouette des stillgelegten Atomkraftwerks zu sehen. Nach drei Stunden sind die Reisenden zurück im 21. Jahrhundert.

Autor: Hilmar Schulz

Weitere Schiffstouren in und um Hamburg:

Durch die Elbe aufs offene Meer
Die Seefahrt nach Helgoland ist heute der weiteste Törn und der Klassiker unter den Schiffsausflügen. Zur Zeit verkehrt von Hamburg nur der Katamaran: eine projektilförmige Fähre, die auf ihrem Doppelrumpf mit fast 70 Stundenkilometern übers Meer rast. Vorteil: Sie fahren um 9 Uhr von den Landungsbrücken ab, haben dreieinhalb Stunden Aufenthalt auf der Insel und sind um 20:15 zurück. Wer es ruhiger mag und einen richtigen Dampfer bevorzugt, reist mit der MS Atlantis von Cuxhaven.

Durch die Este nach Buxtehude
Die Barkasse legt von den Landungsbrücken ab und biegt gegenüber von Blankenese in die Este ein. Die Fahrt auf dem gewundenen Flüsschen durchs Alte Land vorbei an Obstplantagen und Fachwerkhöfen bis zum Buxtehuder Hafen ist besonders schön, wenn die Obstbäume blühen.

Vierlandefahrt
Diese Schifffahrt führt mitten aus der Stadt in die grüne Flusslandschaft der Vier- und Marschlande: Die Barkasse legt vom Jungfernstieg ab, fährt durch Fleete und Schleusen auf die Elbe. Bei der Tatenburger Schleuse geht es auf der Dove-Elbe vorbei an Feldern, Wiesen und durch alte Dörfer bis zum Bergedorfer Hafen.

Alster und Kanäle
Nur auf dem Wasser kann man sich in aller Ruhe durch die Stadt kutschieren lassen und dabei hinter die Kulissen der Bürgerhäuser sehen: Der Dampfer fährt vom Jungfernstieg über die Alster in die Kanäle der Stadt – und taucht in eine andere Welt ein.

Elbaufwärts
Mit ihren Hügeln und weiten Wiesenebenen hat sich die Elblandschaft südlich von Hamburg ein ursprüngliches Aussehen bewahrt. Das Flussschiff Aurora fährt von Geesthacht bis nach Boizenburg oder Dömitz. Außerdem im Programm: Ausflüge durch den Elbe-Seitenkanal zum grandiosen Schiffshebewerk Scharnebeck.

Weite Welt
Für das ganz große Fernweh: Vom Hamburger Hafen fahren Frachter und Containerschiffe in alle Welt. Hier finden Sie Frachtschiffpassagen bis nach Tasmanien.
6. August 2014 von Redaktion

Kategorien: Hamburg reist, Lebensfreude

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