Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Helge Albers, Geschäftsführer der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.
Mit Film kennt sich Helge Albers aus vielen Perspektiven aus. Zwanzig Jahre lang hat er in Berlin als Produzent mit eigener Firma internationale Filme, insbesondere Dokumentarfilme, hergestellt. Parallel war er Geschäftsführer des VDFP, des Verbandes Deutscher Filmproduzenten. Er war in der Vergabe- und Drehbuch-Kommission der FFA, der bundesweiten Filmförderung aktiv, hat als Berater für den World Cinema Fund sowie kurzzeitig auch als Verleiher gearbeitet. Nun hat er die Geschäftsführung der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein mit ihrem Fördervolumen von zwölf Millionen Euro übernommen.
Sie sind noch ganz neu in Hamburg. Wie haben Sie sich eingelebt?
Ich hatte Glück und habe eine sehr nette, schnucklige Wohnung auf St. Pauli gefunden. Darüber bin ich sehr froh und glaube, mittlerweile ganz gut angekommen zu sein. St. Pauli empfinde ich als angenehm durchmischt, ähnlich wie der Prenzlauer Berg in Berlin einmal war und heute leider nicht mehr ist. Für mich fühlt es sich so an, als käme ich zurück in einen Stadtteil, der auf eine aufregende Art bunt ist. In Ottensen sehe ich zurzeit überwiegend mein Büro und kenne die Fahrradstrecke von St. Pauli dorthin.
Dann haben Sie ja hier noch einiges zu entdecken.
Tatsächlich hatte ich bisher wenig Zeit, mich in Hamburg umzuschauen, aber immerhin kenne ich schon einige Filmmotive von den Drehbesuchen und Setbesichtigungen, die ich hier während meiner Tätigkeit als Produzent gemacht habe. Auch der letzte Film, den ich produziert habe, ˮCunningham 3D“, eine Dokumentation über den US-amerikanischen Choreographen Merce Cunningham, ist teilweise in Hamburg gedreht, zum Beispiel im alten Elbtunnel. Aber beim Erkunden der Stadt gibt es noch viel Luft nach oben.
Sie haben in Berlin viele Jahre als Produzent gearbeitet. Was hat Sie daran gereizt, nun den Chefposten der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein zu übernehmen?
Nach zwanzig Jahren ist es mir nicht leicht gefallen, meine Produzententätigkeit und meine Produktionsfirma aufzugeben. Aber eine Förderung in Zeiten des Umbruchs zu übernehmen, ist eine extrem spannende Aufgabe. Der Reiz des Neuen war verlockend. Außerdem haben beide Berufe einiges gemeinsam. Zu produzieren heißt, zu gestalten und zu steuern. Darum geht es auch bei der Leitung einer regionalen Filmförderung, wenn auch mit anderen Parametern und anderen systemischen Einbindungen. Als Geschäftsführer der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) ist es meine Aufgabe, das Maximum für die Branche an diesem Standort herauszuholen. Diese Herausforderung wollte ich annehmen.
Wie war Ihr Einstieg?
Das war sehr angenehm. Ich kannte meine Vorgängerin Maria Köpf schon durch meinen vorherigen Job. Da war es für uns einfach, den Übergang zu verabreden und zu gestalten. Ich war seit Januar ein bis zweimal in der Woche in Hamburg und habe die ersten Gremiumssitzungen begleitet. Und ich hatte bei politischen Terminen die Möglichkeit, dabei zu sein. So bin ich relativ organisch in die Tätigkeit hineingewachsen und seit April voll dabei. Wenn man sich drei Monate vorbereitet hat, ist es schön, endlich richtig anzufangen. Um einander kennenzulernen und zu sehen, welche Ideen bereits im Haus existieren, haben wir alle zusammen einen kleinen Workshop gemacht. Und ich hatte auch schon erste Gespräche mit den Hamburger Produzenten.
Welche Ideen haben Sie für die Filmförderung und die Filmstadt Hamburg?
Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ist eine Kinofilmförderung und dies wird auch unser Schwerpunkt bleiben. Wir müssen aber auch einen Blick auf den Bereich der Serien werfen, die bei Plattformen wie zum Beispiel Netflix und Amazon entstehen. Im Moment sind wir eine der wenigen Länderförderungen, die Serien noch nicht im Portfolio haben. Aber wir sind guter Dinge, dass wir demnächst auch solche Projekte fördern können. Sie müssen sich inhaltlich, formell und in ihren Ambitionen deutlich von dem abheben, was klassisch im TV-Programm zu sehen ist, denn das zu finanzieren, sollte Aufgabe der Sender bleiben. Außerdem liegt mir die Sichtbarkeit unserer beiden Standorte Hamburg und Schleswig-Holstein vor der Kamera besonders am Herzen.
Wird die FFHSH denn dafür mehr Geld bekommen?
Frisches Geld zu akquirieren, ist immer schwierig. Unser Haus hat zwei Standorte, Hamburg und Kiel. Die Anbindung an Schleswig-Holstein ist aber noch zu schwach ausgeprägt, da würde ich mir mehr Engagement, eben auch finanzielles, seitens der Landesregierung Schleswig-Holstein wünschen. Auch bin ich mir sicher, dass der Ruf nach Serienförderung in der Politik gehört wird. Was die Kinofilmförderung angeht, müssen wir die Attraktivität der Filme und der Kinos erhöhen. Entscheidend ist, dass Filme so außergewöhnlich entwickelt werden, dass die Zuschauer spüren, dass sie im Kino ein ganz besonderes Angebot erwartet. Darauf muss der Blickwinkel von Förderung und Finanzierung ausgerichtet sein. Ich freue mich auf die Diskussion darüber, denn dabei wird es nicht nur um Geld gehen, sondern auch um Inhalte.
Sie interessiert auch die Verknüpfung von Kino und Technologie. Was planen Sie in dem Bereich?
Ich hoffe, dass wir möglichst bald in der Lage sein werden, zum Beispiel auch Apps zu fördern, die im Kinobereich Zuschauer ansprechen. Das Kino braucht dringend neue Impulse. Mit dem Netzwerk gamecity:Hamburg ist der Games-Bereich in der Stadt gut aufgestellt, aber auch da fehlt auf Projektebene eine Förderung. Ich würde mir wünschen, dass wir diese möglichst bald zu uns ins Haus holen. Mit Games können Storys erzählt und Standorte gut nach außen transportiert werden. Dahinter steht ein Wirtschaftsfaktor, der einer Stadt wie Hamburg gut zu Gesicht stände. Auch dafür muss mehr Geld zur Verfügung stehen.
Wie nehmen Sie Hamburg denn als Drehort wahr?
In diesem Jahr wurden hier ja schon einige große Kinoprojekte gedreht. Zum Beispiel ˮThe Story of My Wife“, eine internationale Produktion. Der Film erzählt die Geschichte eines Hamburger Kapitäns. Oder ˮHallo Again„, eine Komödie um eine Hochzeit. Als ich die Kollegen am Set besuchte, war es wie ein Wiedersehen, denn mit vielen konnte ich schon in der Vergangenheit zusammenarbeiten. Ich freue mich, dass diese Projekte in Hamburg realisiert werden. Allerdings müssen wir dringend das Problem der fehlenden Fachkräfte und des Nachwuchses beheben. Das gilt bundesweit, nicht nur in Hamburg.
Woran liegt es, dass der Nachwuchs knapp geworden ist?
Die Rahmenbedingungen für Praktika sind komplizierter geworden und Filmberufe haben auch an Attraktivität verloren, nicht zuletzt durch die Arbeitsbedingungen. Wir stehen ja in Konkurrenz zu allen möglichen anderen Berufsbildern im Online-, im Design-, im Web-, im Games-Bereich, die es vor 20 Jahren noch gar nicht gab. Außerdem hat sich die Branche lange so eingerichtet, dass der Nachwuchs aus der Industrie selbst herauswächst. Da haben sich sehr oft Quereinsteiger durch Learning by Doing in Berufe wie Requisiteur oder Garderobiere eingearbeitet. Wir müssen nach Ausbildungswegen jenseits von Praktika suchen. Denn wenn es diese Mitarbeiter nicht gibt, gibt es auch keine Filme, ganz einfach.
Haben Sie eigentlich einen Hamburger Lieblingsfilm?
Als es im Mai die einzigartige Veranstaltung der Hamburger Kinos ˮEine Stadt sieht einen Film“ gab, habe ich mich sehr gefreut, Hark Bohms grandiosen Film ˮNordsee ist Mordsee“ wiederzusehen. Und aus voller Überzeugung sage ich, dass Fatih Akins ˮDer goldene Handschuh“ ein grandioser Hamburg-Film ist.
Haben Sie in Hamburg schon einen Lieblingsort, wo Sie gerne hingehen?
Der Hein-Köllisch-Platz ist für mich wie mein verlängertes Wohnzimmer. Ich mag dort die entspannte, weltoffene Atmosphäre. Und natürlich unser kleiner Film-Hub rund um die Zeise Hallen – mit dem Kino, der Kurzfilmagentur und mehreren Filmproduktionen direkt ums Eck fühle ich mich hier sehr wohl.
Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat oder Lieblingsschnack?
Das Leben ist nicht ganz unrisikovoll. (Karl-Heinz Rummenigge)
Autorin: Herdis Pabst
Fotos: Helge Albers © Jasper Ehrich
Foto: Dreh von ˮThe Story of My Wife“ in der Speicherstadt © Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein
Foto: Dreh von ˮHallo Again“ auf der MS Bleichen © Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein
Kategorien: Hamburg filmt, Kulturgenuss, Mein Hamburg
Schlagworte: Drehort, Film, Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Helge Albers, Motiv Produktion, Produzent, Regisseur, Schauspieler, Set