Mein Hamburg: Hark Bohm

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Filmregisseur Hark Bohm

Sechzehn Filme hat Hark Bohm inszeniert, in über neunzig hat er kleinere oder größere Rollen gespielt. Und er hat maßgeblich die Hamburger Filmpolitik mitbestimmt und geprägt. So half er bei der Geburt von Hamburgs erster Filmförderung und initiierte den Regiestudiengang an der Universität Hamburg, aus dem die heutige Hamburg Media School hervorging. Zurzeit arbeitet er an einem neuen Projekt. Am 18. Mai 2019 ist er achtzig Jahre geworden.

Sie leben und arbeiten seit vielen Jahren in Hamburg. Wie blicken Sie auf die Stadt?

Für mich sind zwei Orte Heimat. Ich bin in Hamburg geboren, aber auf Amrum aufgewachsen, der schönsten Insel der Welt, von der ich heute noch träume. Amrum hat mich geprägt und meinen Charakter geformt. In Hamburg hat mein Großvater einst ein Haus gebaut, mit meiner Familie wohne ich noch heute auf dem Grundstück. Und hier habe ich meine Filme gedreht, ˮNordsee ist Mordsee“, ˮMoritz, lieber Moritz“ oder ˮFür immer und immer“. Und immer kommt die Elbe vor. Der Fluss ist für mich wie eine Lebensader.

Im letzten Jahr haben Sie zwei Deutsche Filmpreise bekommen, zusammen mit Regisseur Fatih Akin den fürs beste Drehbuch des Films „Aus dem Nichts“ und für ihr Lebenswerk.

Die zwei Preise waren ein großes Glück. Denn wenn man einen Preis fürs Lebenswerk erhält, kommt es einem schon so vor, als sei das ein Nagel, den man in den Sarg klopft. Dadurch, dass ich gleichzeitig einen Preis für das Drehbuch bekam, war klar: Ich arbeite und liege noch nicht in der Kiste.

 

Haben Sie denn ein neues Projekt in Arbeit?

Zum Glück ja. Aber, wie man in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, sagt: Ungelegte Eier soll man nicht begackern.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Fatih Akin entstanden?

Das erste Buch, das ich mit Fatih Akin zusammen geschrieben habe, war ˮTschick“. In dem Film geht es um einen deutschen und einen rumänischen Jungen aus der Walachei, die zusammen abhauen. Diese Kurzfassung ähnelt ˮNordsee ist Mordsee“, meinem zweiten Film, den ich 1976 gedreht habe. Danach kam Fatih Akin mit der Idee zu ˮAus dem Nichts“ und wir haben die Geschichte für den Film gemeinsam entwickelt. Aber ich muss sagen: Fatih Akin ist immer der Kapitän, ich eher der Steuermann.

Was treibt Sie an?

Es gibt zwei Fs in meinem Leben: die Familie und Filme. Filme zu machen, kann ich einfach nicht lassen. Meine Familie ist immer involviert, wenn wir Filme machen, meine Söhne Dschingis und Uwe spielen in fast jedem mit. Wir sind da wie Handwerker, wie Tischler. Wenn der Film fertig ist, kommt er ins Kino, und dann denken wir über den nächsten Film nach.

Sie waren maßgeblich daran beteiligt, dass Hamburg eine Filmförderung bekommen hat, dass hier eine Filmszene entstehen konnte.

Ich freue mich sehr, dass Hamburg zu einer Filmstadt geworden ist. Damals, 1979, lebte ich in München. Da hatte sich eine Gruppe zum Jungen Deutschen Film formiert, zu der auch ich gehörte. Ich hatte mir gerade durch den Erfolg meiner beiden in Hamburg gedrehten Filme ˮNordsee ist Mordsee“ und ˮMoritz, lieber Moritz“ einen Namen gemacht. Als wir Filmemacher in München nicht mehr willkommen waren, habe ich den damaligen Bürgermeister Uli Klose angerufen. In Hamburg gab es eine starke Szene für Experimental- und Dokumentarfilme, aber kein Erzählkino. Klose wollte hier in der Stadt die Kulturszene erweitern und eine Filmförderung aufbauen und hat uns eingeladen.

Wie ging es in dieser Aufbruchstimmung weiter?

Das Wort Aufbruch ist so ein Klischee. Wir waren um die dreißig, manche sogar jünger. Als Udo Lindenberg für ˮNordsee ist Mordsee“ die Musik schrieb, war er 25. Wir waren junge Leute, die etwas Neues wollten. Wir waren Pioniere. Und wir suchten nach einem Ort, an dem wir unterkommen konnten. Die Schiffsschraubenfabrik Zeise stand damals leer. Für uns war das ideal. Die Förderung und einige Filmemacher zogen in der Friedensallee 7 ins Filmhaus ein. Von hier aus hat sich alles entwickelt, entstand der Humus für eine Hermine Huntgeburth, für einen Fatih Akin oder Özgür Yildirim, ein ehemaliger Regiestudent von mir.

Damals haben Sie den Regiestudiengang an der Universität Hamburg gegründet, aus dem sich dann die heutige Hamburg Media School entwickelt hat.

Wenn in Hamburg eine Filmszene entstehen sollte, dann brauchte es dafür einen Ort, an dem Regisseure und Regisseurinnen lernen konnten, wie man in Filmen erzählt. Man kann keine Künstler schaffen, dazu gehört Talent. Aber man kann den angehenden Regisseuren beibringen, wie man eine Geschichte erzählt. Ich habe mir etliche Filmhochschulen rund um den Globus angeschaut, wie dort unterrichtet wird. Das Besondere am Hamburger Filmstudium war, dass wir als Aufbaustudium die Studierenden in zwei Jahren so weit bringen wollten, dass sie Filme machen konnten. Das hat sich bewährt. Florian Baxmeyer holte den ersten Studenten-Oscar nach Hamburg. Weitere sollten folgen.

Direkt im Umfeld des Filmhauses haben Sie 1988 Ihren Film „Yasemin“ gedreht.

Yasemin spielt in Ottensen und im Hafen. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einem türkischen Mädchen und einem deutschen Jungen, gespielt von unserem Sohn Uwe. Dieses Thema, die Begegnung von Deutschen und Ausländern, zieht sich durch viele meiner Filme. Teile von Ottensen wurde damals Little Istanbul genannt. Jetzt, wo ich an meine Filme zurückdenke, bekommt das so einen nostalgischen Touch. Dabei denke ich gar nicht oft zurück.

 

In diesem Gemüsegeschäft in Ottensen drehte Hark Bohm seinen Film Yasemin.

Haben Sie denn einen Lieblingsfilm?

Oft ist der Name eines Künstlers ja mit einem Werk verbunden wie Günther Grass mit ˮDie Blechtrommel“, oder Wim Wenders mit ˮDer Himmel über Berlin“. Bei mir ist es ˮNordsee ist Mordsee“. Das heißt aber nicht, dass dieser Film mir der wichtigste ist. Ich habe eigentlich jetzt zum ersten Mal gemerkt, dass ich da etwas gemacht habe, das mich möglicherweise überdauert. Mir ist noch nicht so richtig klar, dass ich jetzt achtzig bin. Was für eine bombastische Zahl, die habe ich nie mit mir in Verbindung gebracht.

Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern in über neunzig Filmen Rollen gespielt.

Ich halte mich nicht für einen besonders begabten Schauspieler. Die Regisseure und Regisseurinnen haben mir wohl kleine Rollen gegeben, weil meine große Nase beim Zuschauer einen gewissen Wiedererkennungseffekt hatte. Ich habe die Arbeit vor der Kamera nicht als etwas empfunden, das mein Leben ausmacht. Was mein Leben ausmacht, sind die Filme, die wir, also meistens gemeinsam mit der Familie, geschaffen haben.

Wie sind Sie eigentlich zum Filmemachen gekommen. Haben Sie nicht Jura studiert?

Damit habe ich mich nie wohlgefühlt. Das Kino hat mich schon immer interessiert, auch das Erzählen. Auf Amrum hieß ich der Schnacker. In Hamburg wohnten wir eine Zeit lang in der Warbugstraße auf dem gleichen Flur wie der Maler Horst Jansen. Das war die Initialzündung. Er hat in mir den Wunsch geweckt, künstlerisch zu arbeiten, etwas Kreatives zu machen. Die Juristerei ist immer an Gesetzestexte gebunden, das ist nicht meine Welt.

An welche Orte in Hamburg zieht es Sie privat?

Ich gehe gerne durch den Jenischpark. Aber ein wirklich wichtiger Ort ist für mich Teufelsbrück. Als ich von Amrum nach Hamburg kam, sprachen wir friesisch und ein merkwürdiges Hochdeutsch. Vieles war so fremd. Aber dann entdeckte ich die Elbe. Bei Teufelsbrück lag damals ein Segelboot von einem Freund. Damit sind wir dann jeden Nachmittag elbabwärts gefahren, an den Wochenenden ganz runter bis Cuxhaven, das war eine Art von Seligkeit, so eine Art Erlösung aus dem städtischen Leben. Heute segeln wir mit einem holländischen Flachbodenboot. Das ist etwas gemütlicher als damals mit der Jolle.

Haben Sie ein Lebensmotto, einen Lieblingszitat, oder Lieblingsschnack?

Nein, das habe ich nicht.

 

Hark Bohm, Fähranleger Teufelsbrück, Elbe

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Fotos: Hark Bohm © Herdis Pabst
Foto: In diesem Gemüsegeschäft in Ottensen drehte Hark Bohm seinen Film Yasemin © Herdis Pabst

12. Juni 2019 von Redaktion

Kategorien: Hamburg filmt, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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