Mein Hamburg: Ellen Blumenstein

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Ellen Blumenstein, Kuratorin der HafenCity.

In Witzenhausen bei Kassel geboren, zog es Ellen Blumenstein schon zum Studium nach Hamburg. Mit den Fächern Literatur-, Musik- und Kommunikationswissenschaften kam sie eher zufällig zur zeitgenössischen Kunst. Ein Praktikum bei der Documenta war ihr Einstieg. Sie arbeitete für Museen in Spanien, Portugal, Brasilien und die USA, konzipierte unter anderem Projekte für den isländischen Pavillon auf der Venedig-Biennale 2012 und leitete zuletzt das Programm des KW Institute for Contemporary Art in Berlin. Seit August 2017 entwickelt Ellen Blumenstein als Kuratorin der HafenCity langfristige Strategien für kulturelle Angebote in dem Stadtteil.

Sie haben Ihr Büro auf der MS Seuten Deern im Traditionshafen der HafenCity. Wie ist Ihr Blick von dort auf den Hamburger Stadtteil?

Ich komme aus dem Mittelgebirge und habe als Kind meine gesamten Ferien in den Alpen verbracht. Mit der Familie sind wir nie ans Meer, sondern immer in die Berge gefahren. Somit habe ich überhaupt keine Erfahrung mit Schiffen. Aber sieben von zehn Hamburgern, die ich treffe, kennen das Schiff, manche sind damit sogar früher einmal nach Helgoland gefahren. So fühle ich mich hier auf dem Schiff an einem ganz besonderen Ort in der HafenCity. Das ist sehr schön.

Welche Aufgaben haben Sie konkret als Kuratorin der HafenCity?

Diesen Job gab es bisher nicht. So definiere ich nun quasi, was ihn eigentlich ausmacht. Zunächst habe ich versucht, diesen Ort, die Akteure und Institutionen kennenzulernen und mit vielen Menschen zu sprechen. Der Arbeitsbereich ist weit gefasst und reicht von der Koordination jener Akteure, die hier längst Kultur machen, bis hin zu neuen Projekten mit Institutionen als Partner oder aber auch einem eigenen Kulturprogramm. Es geht darum, Kultur als Teil der Stadtentwicklung zu denken. Unsere Projekte sollen im Stadtteil sichtbar sein und Menschen zusammenbringen, sie sollen helfen, jene Infrastruktur zu entwickeln, die fehlt, wenn ein neuer Stadtteil aus dem Boden gestampften wird, die aber gerade gewachsene Stadtteile so lebenswert macht. Mit einem Budget von 125.000 Euro ist es nicht ganz einfach, denn unsere Projekte sind langfristig angelegt.

 

Ein Projekt ist ja schon zu sehen, das Smiley.

Das Smiley, wie es alle nennen, also auch ich, heißt offiziell Public Face und repräsentiert genau solche Projekte, wie ich sie machen möchte. Denn das Smiley bewirkt hier etwas. Es zeigt die Stimmung der Menschen in ihrer Umgebung an und verändert sich entsprechend. So regt das Smiley natürlich auch an, sich mit Überwachung im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen. Aber darum geht es mir nicht in erster Linie. Es macht den kollektiven Raum sichtbar, der von vielen, verschiedenen Menschen genutzt wird. Denn man kann das Smiley nicht alleine beeinflussen, weil die Kameras an ganz verschiedenen Orten in der HafenCity stehen. Bisher redete man immer von den Gebäuden der HafenCity. Das Smiley lenkt die Aufmerksamkeit auf die Menschen, die diesen Ort nutzen.

 

Wie ist die Idee entstanden?

Die Künstler, Julius von Bismarck, Benjamin Maus und Richard Wilhelmer, haben den Prototyp schon  2010 entwickelt, ursprünglich für einen Leuchtturm im Hafen von Lindau am Bodensee, und zeigten ihn an unterschiedlichen Orten. Damals hatte das Fraunhofer Institut eine Software entwickelt, die neben der Gesichtserkennung auch qualitative Kriterien aus Gesichtern auslesen kann, also, ob jemand fröhlich oder traurig ist. Diese Technik wird in wissenschaftlichen Zusammenhängen eingesetzt, in der Marktforschung und der Werbung. Zum Beispiel zeichnen Kameras auf, wie Leute auf Schaufenster reagieren. Das war ein Quantensprung in der Entwicklung, wurde damals aber von der breiten Öffentlichkeit gar nicht so recht wahrgenommen. Weil der Prototyp in Wien steht und außerdem verbesserungswürdig war, haben wir ihn in Hamburg noch einmal nachgebaut. Panels an der Brücke geben eine Einführung und verweisen auf unsere Website und Social Media. Die Installation bleibt mindestens ein Jahr, aber schon jetzt gibt es den Wunsch, dass sie länger bleibt. Genau so eine Dynamik möchte ich erzielen.

Welche weiteren Projekte sind geplant oder in Vorbereitung?

Es gibt fünf Projekte, an denen wir arbeiten. Wir hoffen, dass drei im kommenden Jahr eröffnet werden. Eins davon wird von dem Hamburger Künstler Gerrit Frohne-Brinkmann entwickelt. Er hat an der HFBK studiert und beschäftigt sich mit fiktiver Geschichte: Er verknüpft gesichertes Wissen mit Erfundenem, entwickelt zum Beispiel Dioramen über Dinosaurier. In einem öffentlich zugänglichen Raum unterhalb der Wasseroberfläche soll ein Diorama über die fiktive Vergangenheit der HafenCity entstehen. Bei einem anderen entwickeln wir mit der britischen Künstlerin Kate Cooper eine fiktive Werbekampagne im Stadtteil.

Ihr Kuratorvertrag ist auf zwei Jahre terminiert und läuft August 2019 aus. Wie wird es weiter gehen?

Wenn man möchte, dass es sich an einem Ort etwas entwickelt, braucht man mehr Zeit. Schon 2005 gründeten die Hamburgische Kulturstiftung und die HafenCity Hamburg GmbH, später verstärkt durch die Körber-Stiftung, die Kooperation ˮKunst und Kultur in der HafenCity für Projekte im öffentlichen Raum“. Daran anknüpfend haben wir nun den Verein „Kunst und Kultur in der HafenCity e.V.“ gegründet, unter anderem ist auch Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, der Geschäftsführer der HafenCity GmbH dabei. Damit wird meine Arbeit weitergehen. Zum Jahreswechsel wird der Verein die nötige Infrastruktur haben, zurzeit suche ich noch nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie für Hamburg, welche Wunschprojekte?

Bislang bewegt sich der Publikumsverkehr vom Baumwall zur Elbphilharmonie und reißt in der Mitte vom Kaiserkai ab. Selbst die Studenten fahren nur zur HafenCity-Uni und wieder weg. Sie nutzen den Stadtteil noch nicht als Stadtgebiet. Auch fehlt die Durchmischung unterschiedlicher Nutzungsgruppen. Es gibt bisher nämlich nur einen Ort, wo sich alle, Bewohner, Bauarbeiter, Studenten oder Touristen, treffen: bei Edeka. So wünsche ich mir in Zukunft ganz viele Orte in der HafenCity, die lebendig sind. Dass Nachbarschaftsprojekte entstehen. Dass mehr in Richtung HafenCity in Bewegung kommt, etwa als Achse vom Domplatz in der Innenstadt durch die Speicherstadt in die HafenCity. Und ich wünsche mir, dass der Sprung über die Elbe mit neuen Verbindungen über den trennenden Fluss gelingt.

Wohin lockt es Sie denn als Privatperson?

Ich wohne in Eimsbüttel. Da kann ich in den Schrebergärten joggen und im Stadtteil Freunde treffen. Ich versuche aber viel von der Stadt mitzubekommen, erlebe St. Pauli, die Schanze, St. Georg. Die andere Alsterseite mit Kampnagel oder Ottensen erscheinen mir dagegen noch fast wie Ausflüge.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?

Mein Vater hat früher immer gesagt: „Du musst nicht alles selber können, sondern wissen, wen du fragen kannst.“ Das ist für mich gerade ein wichtiges Motto, um mein Netzwerk von Unterstützern weiter auszubauen.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Titeloto: Ellen Blumenstein © Jork Weismann
Fotos: Public Face in der HafenCity/Speicherstadt © Carsten Damman

16. Januar 2019 von Redaktion

Kategorien: Hamburg künstlert, Kulturgenuss, Mein Hamburg

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