Mein Hamburg: Bettina Steinbrügge

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Bettina Steinbrügge, Direktorin des Kunstvereins Hamburg, der in diesem Jahr 200 wird.

Schon in ihrem Studium der Kunstgeschichte, Englischer Philologie und Vergleichender Literaturwissenschaft sammelte Bettina Steinbrügge internationale Erfahrung. Sie arbeitete als Direktorin der Halle für Kunst e.V. in  Lüneburg, als Gastdozentin in Genf und als Kuratorin an der Kunsthalle im elsässischen Mulhouse sowie an der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien.

Sie sind vor drei Jahren aus Wien nach Hamburg gekommen. Welchen Eindruck hatten sie von der Stadt?

Die Stadt ist wunderbar, aber das ist ja für jeden, der in Hamburg lebt, sowieso klar. Es gibt hier eine hohe Lebensqualität, mit den Kollegen von anderen Kultur-Institutionen kann man gut zusammenarbeiten und die Hamburger sind ein tolles, gut informiertes und auch kritisches Publikum. Alles vorsetzen kann man ihnen nicht, sie wollen Qualität.

Was hat Sie gereizt, die Leitung des Kunstvereins zu übernehmen? Sie sind die erste Frau in der 200-jährigen Geschichte des Vereins.

Ganz egal, was ich hier mache, der Eintrag in die Geschichtsbücher ist mir als erste Direktorin sicher (lacht). Nach meinem Job als Kuratorin am Kunstmuseum Belvedere in Wien, hatte ich Lust, noch einmal zur Basisarbeit zurückzukehren. Außerdem sind Räume und Lage des Hamburger Kunstvereins grandios. Junge Künstler zu fördern, Neues auszuprobieren und mit Ausstellungsformaten zu experimentieren, ist das Konzept des Vereins. Und genau das ist hier mein Job hier. Der Kunstverein ist national und international für sein Programm sehr bekannt. Es ist für mich eine Herausforderung, diese Arbeit fortzusetzen.

Welche Bedeutung hat der Kunstverein heute für Hamburg?

Die Kunsthalle zeigt eher Retrospektiven und ist wissenschaftlich orientiert, auch wenn sie junge Kunst ausstellt. Die Deichtorhallen zeigen Künstler, die bereits eine Karriere haben oder große Sammlungen. Der Kunstverein aber ist eher der wilde Teenager oder das Trüffelschwein. Wir sind die, die jüngeren Künstlern die erste große Ausstellung geben und deren erste Publikation herauszubringen. Wir holen zeitgenössische Kunst nach Hamburg und  versuchen diese Künstler mit den hiesigen jungen Künstlern, etwa von der Hochschule für Bildende Künste zu vernetzen.

Ist es nicht schwer, mit unbekannten Künstlern Besucher zu gewinnen?

Da schärft man nur seine Argumente. Im Kunstverein geht um die Offenheit für neue Sehgewohnheiten. Wir wollen da vermitteln, denn die Aufgabe des Kunstvereins ist es, an der Kunstgeschichte mitzuschreiben, denn auch alle bekannten Künstler waren mal jung. Wir freuen uns natürlich, wenn viele Besucher kommen, aber die Aufgabe des Vereins war schon immer, noch unbekannten Künstlern und ihren Werken eine Öffentlichkeit zu geben. Viele Künstler sind tot, bevor sie anerkannt werden. Das galt zum Beispiel auch für Caspar David Friedrich, den der Kunstverein früh förderte.

In diesem Jahr wird der Verein 200 Jahre. Welche Rolle hat er historisch gespielt?

Kunst war früher dem Adel und der Kirche vorbehalten. Als das Bürgertum stärker wurde, entwickelte es Interesse an Kunst und Kultur. 1815 trafen  sich Hamburger Bürger, zeigten sich Stiche von berühmten Bildern und jungen Künstlern und haben diese Kunst zum Teil auch gekauft. Ab 1817 fanden diese Treffen formalisiert und regelmäßig statt, aber noch im privaten Raum. 1822 wurde die erste Satzung geschrieben. Der Verein wuchs und begann, Ausstellungen auszurichten.

Wie es zur Kunsthalle kam

Noch heute werden in Hamburg Veranstaltungen in privaten Häusern sehr geschätzt und auch wir laden dazu gelegentlich ein. Als der Wunsch nach einer Gemäldegalerie aufkam, wurde die Kunsthalle gegründet. Der Kunstverein dagegen hat sich weiterhin als zeitgenössisches Haus gesehen, das keine Sammlung aufbaut.

Sind solche Kunstvereine noch zeitgemäß?

Die Kunstvereine sind ein Phänomen im deutschsprachigen Raum. Es ist die beste Künstlernachwuchsförderung der Welt. In Europa und Nordamerika werden heute neue Kunstvereine gegründet. Im September werde ich die Kollegen zu einem internationalen Treffen einladen. Auch wenn eine Zeit lang Vereine als antiquiert galten, glaube ich mittlerweile, dass es wichtig ist, wenn Menschen zusammenkommen und etwas für die Gemeinschaft tun. Vereine sind solche Orte.

Zum Jubiläum zeigen Sie eine ganz spezielle Ausstellung.

Das war ein großer Spagat. Wie zeigen wir Geschichte, obwohl wir ja die Institution sind, die keine Geschichte zeigt? Wir haben zwei Jahre lang mit dem kunsthistorischen Institut  unsere Historie aufgearbeitet und das Material an Künstlern zur Verfügung gestellt. Die Kunstwerke, die daraus entstanden sind, reflektieren die Geschichte des Kunstvereins und beziehen sich auf das Heute. Diese Werke regen an, darüber nachzudenken, welche Relevanz Kultur für eine Gesellschaft jeweils hat.

Was wünschen Sie sich für Hamburgs Zukunft?

Viele Kulturschaffende hier wünschen sich, dass man nach dem großen Erfolg der Elbphilharmonie wieder mehr auf einzelnen Sparten der Künste schaut und ein Sprachrohr vermittelt, dass wer abends in die Elbphilharmonie geht, tagsüber auch noch wunderbare Museen, die Kunsthalle und Kunstverein besuchen kann.

Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat oder Lieblingsschnack?

Mir ist wichtig, den Kopf immer wieder in andere Richtungen zu wenden, um eine neue Perspektive einzunehmen, damit ich nicht auf einer Stelle stehen bleibe.

 

Autorin: Herdis Pabst

Foto: Bettina Steinbrügge © Kunstverein Hamburg / Natascha Unkart

 

22. Februar 2017 von Redaktion

Kategorien: Hamburg künstlert, Kulturgenuss

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