Hafenkante, Marzipan und Kopfsteinpflaster

Manche Quartiere oder Gewerbeflächen in Hamburg erregen mit ihrer Verwandlung in Kreativquartiere und Kulturstätten große Aufmerksamkeit. Man denke zum Beispiel an das Oberhafenquartier oder das Mehr! Theater im Hamburger Großmarkt, während wir andere Orte wie das Viertel um die historische Marzipanfabrik kaum auf dem Schirm haben. Gerade dort, wo um die Jahrhundertwende die weltweit größte Marzipanfabrik und die berühmte Sternwollspinnerei mit damals revolutionären Dampfmaschinen betrieben wurden, zieht nun nach Jahren des Brachliegens neues, hochaktives Leben ein.

N‘ büsch‘n dazwischen

Vielleicht ist es die Lage des Quartiers – irgendwo zwischen der Autobahnabfahrt Bahrenfeld und Ottensen – die es eher an den Rand der allgemeinen Aufmerksamkeit drängt. Dabei lohnt sich ein Besuch auf dem Gelände im Umbruch zwischen Alt und Neu aus verschiedenen Gründen: augenscheinlich sind natürlich die gut erhaltenen und liebevoll restaurierten Gebäude wie die Marzipanfabrik aus rostrotem Klinker und der 20 Meter hohe, ursprüngliche Industrieschornstein, die um die künftige Plaza ein ganz eigenes Flair verbreiten. Was aber auf keinem Foto zu vermitteln wäre, sind die wohldurchdachten Blickachsen, durch die das Gelände immer wieder neue, spannende Perspektiven eröffnet: Geschichtsträchtige Wände und Gassen aus Kopfsteinpflaster fügen sich mühelos an moderne Bauten aus dunkelrotem Klinker oder mit transparenten Glasfassaden – jedes hat seinen eigenen Platz und doch ist es ein Ensemble.

 

Fingerspitzengefühl und gute Nachbarschaft

Wer auf dem Gelände unterwegs ist, spürt auch ohne Plan oder Karte, dass gute Wegeverbindungen und nachbarschaftliche Beziehungen hier ganz groß geschrieben werden. „Wir haben erst einmal viele Zäune und Sperren zwischen uns und den Grundstücken nebenan weggeschafft, denn eine gute Nachbarschaft ist uns wichtig und die Menschen sollen auch quer über das Gelände zur nächsten S-Bahn-Station gehen können“, sagt Dirk Hollmann, der hier jeden Stein kennt. Er gehört zu den fünf Geschwistern der Familie Hollmann, die das ehemalige Fabrikareal gemeinsam entwickeln und betreiben. Die Mischung aus Vergangenheit und Zukunft hat schon zahlreiche, kreative und handwerkliche Gewerbe angezogen, von der klassischen Tischlerei bis zur Cartel X Promotion GmbH & Co KG, die von hieraus kistenweise Flyer und Plakate in ganz Hamburg verteilt.

Es bleibt in der Familie – dem Projekt verpflichtet

Es mag paradox klingen, doch Wandelbarkeit ist das verbindende Element bei allem, was im Quartier Marzipanfabrik entsteht. Da niemand die Zukunft vorhersagen kann, machen flexible Wände in den Gebäuden ein schnelles Umbauen vom kleinen Atelier ins große Loftbüro möglich und Parkplätze mit Ladestationen für Elektroautos werden bereits eingerichtet. Nachdem das Gelände jahrelang brach gelegen hat, lebt die Marzipanfabrik nun wieder auf und steht mit einem Theater und der geplanten Plaza unter dem denkmalgeschützten Industrieschornstein in Zukunft wieder allen offen.

Wichtig für den Stadtteil ist aber bei allem Wandel: Das Quartier ist kein Spekulationsobjekt für schnelle Gewinne, denn es bleibt in der Familie. Und damit traditionsbewusst, dem Gewerbe verpflichtet und zukunftsfähig für alles, was da kommt.

 

 

Autorin: Julia Barthel
Fotos: Marzipanfabrik-Quartiersgebäude © BestBlick.de

27. Juni 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg wächst, Wissensdurst

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