Beim Feierabendsingen der Zinnschmelze kann jeder mitmachen. Das Barmbeker Kulturzentrum plant einen festen Chor und freut sich auf neue Räume.
Es ist ein frischer Spätsommerabend. Auf dem Platz bei der Zinnschmelze versammeln sich immer mehr Menschen. Dann tritt die Chorleiterin ans Keyboard. Sie singt eine Strophe vor, kurz darauf erklingt aus 100 Kehlen das erste Lied. Zuerst zaghaft, dann immer kräftiger. Drei Bauarbeiter lauschen amüsiert, Passanten halten inne, einige nehmen ein Textheft und singen einfach mit.
Der Refrain des Lieds ist Programm: „Singen ist schön, singen macht Spaß“. Es ist ein Spontanchor, der sich an jedem zweiten Mittwoch im Monat nach Feierabend zusammenfindet. Die Mitglieder kennen einander meist nicht. Es sind Junge und Alte, Mütter mit Kindern, Büroangestellte auf dem Heimweg.
„Wir wollten eine niedrigschwelliges Angebot“, sagt Dorothée Puschmann, Geschäftsführerin der Zinnschmelze, „es ist kostenlos, die Lieder sind in der Regel recht einfach.“ Die Mischung kommt an.
Zinnschmelze-Geschäftsführerin Dorothee Puschmann: Im neuen Jahr Eröffnung des neuen Saals.
Das Feierabendsingen wird immer beliebter
Zur Premiere im Mai dieses Jahres machten 70 Leute mit, jetzt, beim fünften Mal, sind es 170. Wie sie sich den Erfolg erklärt? „Singen ist positiv“, sagt Dorothée Puschmann. Sie ist selbst dabei. „Es ist ein Gemeinschaftserlebnis, danach hat man gute Laune.“
Das ist auch nötig, denn das Backsteingebäude neben dem Museum für Arbeit, in dem die Zinnschmelze eigentlich ihre Kulturarbeit leistet, wird gerade umgebaut und erweitert. Deshalb müssen sie seit Monaten mit der „Umbaubude“ aus mehreren Baucontainern vorlieb nehmen. Dorothee Puschmann zuckt mit den Schultern und sagt gelassen: „Wir leben schon seit 30 Jahren im Chaos und müssen ständig improvisieren.“
Alte Werksgebäude als neue Heimat
Denn die Zinnschmelze sei eigentlich von Anfang an zu klein gewesen. In den frühen 1980er-Jahren, als St. Pauli und Schanzenviertel noch nicht so angesagt waren, dämmerte Barmbek als überalterter Stadtteil vor sich hin. Wegen der niedrigen Mieten wurden jedoch die ersten Studenten und Kreativen angezogen.
Weil es damals buchstäblich kein kulturelles Angebot gab, taten sich einige junge Leute zusammen. Es war eine bunte Truppe, die sich gut verstand. Doch sie hatten keine Räumlichkeiten für ihre Aktivitäten. Auf dem Gelände der ehemaligen „New York Hamburger Gummiwarenfabrik“ standen Werksgebäude leer, die waren ideal zum Wohnen und Arbeiten in großen Ateliers.
Kulturangebote werden von der Stadt gefördert
„Wir wollten das ganze heutige Museum, bekamen dann aber immerhin die Zinnschmelze“, erinnert sich Dorothée Puschmann. Hier organisierten sie die ersten Kulturveranstaltungen für die Nachbarschaft und den Stadtteil. Tagsüber Kindertheater, nachts Punk-Konzerte, dazu politische Arbeit und eine Stadtteilzeitschrift. Seit den 1990er-Jahren fördert die Kulturbehörde die Zinnschmelze.
Damit alleine wäre das breitgefächerte Angebot nicht zu finanzieren. Immerhin reicht das Programm von Theater und Konzerten über Lesungen bis zu Tanzveranstaltungen. Auch bei der Nacht der Clubs war die Zinnschmelze Gründungsmitglied. Lebenswichtig sind deshalb eigene Einnahmen durch Eintrittsgeld und Gastronomie sowie Spenden und Sponsoren.
Umbau Anfang 2015 beendet, dann ist der Saal größer
Doch in der provisorischen Umbaubude sind die Besucherzahlen stark zurückgegangen, eine Gastronomie ist dort nicht vorhanden. Immerhin gibt es während der Veranstaltungen Getränke und bei den beliebten Flohmärkten Waffeln. Doch das sind natürlich nur Provisorien.
Dorothée Puschmann freut sich schon darauf, dass die Arbeiten am Stammhaus Anfang 2015 abgeschlossen sein werden. Im neuen Saal finden rund 200 Besucher Platz. „Dann wollen wir“, sagt Dorothée Puschmann und strahlt dabei, „auch einen richtigen Chor mit festen Mitgliedern gründen.“ Das Feierabendsingen wird es trotzdem weiter geben. Zum Glück.
Autor: Hilmar Schulz
Bildbeschreibung Titelfoto: Spontanchor mit Hingabe: Feierabendsingen vor der Zinnschmelze.
Kategorien: Hamburg musiziert, Kulturgenuss
Schlagworte: Barmbek, Chor, Dorothée Puschmann, Feierabendsingen, Hamburg, Kindertheater, Konzerte, Kulturbehörde, Lieder, Museum für Arbeit, Theater, Zinnschmelze