Audio-Interview mit Wolf Schmidt, Blindenfußball-Trainer beim FC St. Pauli in Hamburg

Blindenfußball in Hamburg

Voy! Das bedeutet auf Spanisch »ich komme« und ist einer der wichtigsten Ausrufe beim Blindenfußball. HAMBURG schnackt! traf Blindenfußball-Trainer Wolf Schmidt und sprach mit ihm über sein Team beim FC St. Pauli … Ein Audio-Interview.

Ein rasselnder Ball, laute Zurufe – so orientieren sich die blinden Fußballspieler des FC St. Pauli über ihr Gehör. Neben sportlichem Ehrgeiz ist für sie deshalb vor allem gute Kommunikation wichtig. Eine Kombination, die das Blindenfußball-Team des FC St. Pauli jeden Freitag auf dem Platz am Winterhuder Borgweg trainiert.

 

Kopfschutz ist Pflicht

Die Feldspieler sind beim Blindenfußball im Sinne der Schweregrade B1, B2 oder B3 sehbehindert. Augenpflaster und Dunkelbrillen gleichen Unterschiede in der Sehschädigung aus. Und Kopfschutz ist in Deutschland Pflicht.

Zwei Mannschaften – Männer und Frauen, junge und ältere – spielen mit jeweils vier Feldspielern auf einem 20 mal 40 Meter großen, von stabilen Seitenbanden begrenzten Platz. Wie im konventionellen Fußball lautet das Ziel, ins gegnerische Tor zu treffen. Blindenfußballer schießen aber auf ein Handballtor und ihr Ball ist kleiner und schwerer als der FIFA-Fußball. Außerdem macht er durch eingenähte Metalllinsen rasselnde Geräusche, an denen sich die Spieler orientieren.

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Gemeinsam stark

Offiziell dauert ein Spiel zweimal 25 Minuten. Die sehenden Torhüter, Trainer und ein hinter jedem Tor mittig postierter Guide geben den Spielern durch Zurufe Orientierung. »Dabei gilt es, keine Handlungsanweisungen zu geben, sondern das Spiel sprachlich abzubilden«, erklärt der Trainer des Hamburger Teams Wolf Schmidt. Und die Seitenbanden, an denen sich die Spieler entlangtasten können, erleichtern den Spielfluss.

Im Falle eines Strafstoßes, der im Blindenfußball je nach Foul vom Sechs-oder Acht-Meter-Punkt ausgeführt wird, klopft der Torhüter vor dem Stoß mit einem Stock links und rechts an die Pfosten, um den Schützen zu unterstützen. Auch hat der Keeper nur einen ganz winzigen Strafraum, den er während des Spiels nicht verlassen darf.

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Paralympisch und hamburgisch

International wird Blindenfußball schon seit rund 30 Jahren gespielt und gehört seit knapp 10 Jahren zu den Paralympics. In Deutschland setzte sich die Sportart jedoch erst im Sommer 2006 richtig durch. Da hatte der Blinden- und Sehbehindertenverein zu einem Vortrag des englischen Teams geladen. Und die Hamburger Michael und Katja Löffler wurden dort zu (inoffiziellen) Vertretern der Hansestadt.

Sie hatten hier schon die Blinden-Torballabteilung des FC St. Pauli gegründet und waren von der Idee, eine Fußballmannschaft auf die Beine zu stellen, infiziert. In FC St. Pauli-Ligaobmann Dieter Rittmeyer fand das Paar dann einen Organisator, der sich für die richtigen Bedingungen der sehbehinderten Spieler einsetzte, und das bis heute erste und einzige Hamburger Blindenfußball-Team ins Leben rief.

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Nachwuchs gesucht

Neben dem Kiez-Verein steht Trainer Wolf Schmidt seinem Team zur Seite. Das ist mittlerweile richtig gut geworden und brachte es in diesem Jahr auf 30 Spiele – in der Blindenfußball-Bundesliga und auf Freundschaftsturnieren. »Um spielen zu können, müssen wir durch ganz Deutschland reisen«, erzählt Wolf Schmidt. Es gäbe zwar 12 Städte-Teams, die alle eine Liga-Saison spielen könnten. Tatsächlich würden dann aber oft nur neun antreten, denn die Fluktuation und der Nachwuchsmangel seien hoch.

Das liegt, wie bei jeder anderen Sportart, nicht selten an fehlender Motivation. Außerdem müssen Feldspieler im deutschen Blindenfußball mindestens eine Sehkraftklassifizierung von B3 vorweisen. Das bedeutet einen Sehrest auf dem besseren Auge von weniger als 10 Prozent. Wolf Schmidt nennt aber noch andere Gründe für den Spielermangel: »Sehbehinderte werden ungern als Sensation, Vorzeigeobjekte und Beispiele für gelebte Inklusion vorgeführt.«

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Top fürs Ego

Wolf Schmidt ist stolz auf seine Mannschaft, dessen Ziel es in diesem Jahr war, die Spieler für die Liga weiterzuentwickeln und nicht unbedingt Punkte zu holen: »Wir haben tatsächlich die erfolgreichste Saison seit Gründung gespielt. Auch wenn sich das nicht unbedingt an der Tabelle messen lässt, sondern hauptsächlich an den spielerischen Qualitäten«. Zwei seiner jugendlichen Spieler wurden vom DFB als »Newcomer der Saison« geehrt.

»Das Entwicklungspotenzial blinder Menschen durch Fußball ist einfach sensationell«, resümiert Wolf Schmidt. »Sich körperlich zu erfahren, hinzufallen, das Zulassen von Gefahr und Risiko. Alles zusammen ergibt ein Turbo-Selbstbewusstsein. Blindenfußballer wollen nicht in Watte gepackt werden!«


Das Hamburger Blindenfußball-Team (www.fcstpauli.info) freut sich immer über Sponsoren. Um Spiele absolvieren zu können, braucht man Geld für Reisekosten, Übernachtungen, Organisation und Personal. Auch sind neue Mitspieler herzlich willkommen. Sie sollten aber mindestens die B3-Kategorie erfüllen.

9. Dezember 2013 von Redaktion

Kategorien: Hamburg trainiert, Sportbegeisterung

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