Teresa-Jakobs

„Mutter Teresa“ und die zehn obdachlosen Frauen

Die Container wirken, als zählen sie zur Baustelle neben der HAW. Tatsächlich leben hier obdachlose Frauen. Betreut werden sie von Studenten.

Es herrscht ein Wetter, bei dem man eigentlich keinen Hund vor die Tür schicken möchte. Nieselregen, dazu ein leichter Wind. Die feuchte Kälte dringt schon nach kurzer Zeit durch die Klamotten. Ein Abend eben, an dem man sich freut, nach Hause zu kommen. Ein heißes Bad nehmen zu können, telefonieren mit Freunden, Emails lesen, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Die zehn Frauen, die im Container-Projekt am Berliner Tor untergekommen sind, haben diesen Luxus einmal gekannt. Doch nun ist ein Einzelzimmer in einem der Container „ein Sechser im Lotto“, wie Teresa Jakobs sagt. Es sind nicht ihre Worte. Die Studentin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) gibt nur wieder, was unter den Obdachlosen in Hamburg so geredet wird.

Der Luxus von Privatsphäre

Einer Schätzung zufolge sind rund 8500 Menschen in einer der reichsten Metropolen Europas wohnungslos. Dagegen stehen im Rahmen des Winternothilfe-Programmes der Stadt rund 850 Schlafplätze zur Verfügung. Zehn davon gibt es am Berliner Tor. „Die Zimmer sind zwar klein, es ist kalt und sehr hellhörig“, erzählt Teresa Jakobs. Aber die Räume böten für die Frauen auch etwas, was sie draußen auf der Straße oder in Gemeinschaftsunterkünften nicht haben: Privatsphäre.

Teresa Jakobs betreut seit drei Jahren im Rahmen ihres Studiums Soziale Arbeit Frauen, die in den Containern leben. Und sie gehört zu jenen älteren Semestern, die den Studienanfängern helfen, Fuß zu fassen. Denn in dem Fachprojekt, das von der HAW-Dozentin Andrea Hniopek initiiert worden ist, erleben die jungen Leute nach einer rund zweimonatigen theoretischen Einführung, was Sozialarbeit in der Praxis bedeutet.
Teresa Jakobs
Schlichter Arbeitsplatz: Teresa Jakobs im Büro des Container-Projektes

„Zweimal zwei Stunden am Tag ist das Büro besetzt. Wir achten darauf, dass immer zwei Studenten hier sind. Vor allem, wenn einer davon ein Mann ist“, erklärt die 24-Jährige. „Selbstschutz“ nennt sie das, was aber nicht heißen soll, dass es in dem Dorf regelmäßig zu handfesten Konflikten kommt. „Ich habe es nur einmal erlebt, dass eine der Frauen mir gegenüber lauter geworden ist.“

Tod, Trennung, Gewalt – es gibt viele Gründe

Vielmehr kommen die Frauen zu Teresa Jakobs und den anderen Studenten, um zu reden oder Hilfe bei Anträgen zu erhalten. „Es ist wichtig, Distanz zu wahren. Natürlich gibt es Fälle, die einen betroffen machen“, sagt Teresa Jakobs. „Aber das darf man nicht mit nach Hause nehmen.“ Außer vielleicht die Erkenntnis, dass es sich eben doch nur um ein Vorurteil handele, dass Obdachlose selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind. „Es gibt ganz unterschiedliche Geschichten: Tod des Lebenspartners, Trennung, Gewalt. Oder eben auch junge Mädchen, die zu Hause rausgeflogen sind.“

In dem Projekt am Berliner Tor haben sie zwischen dem mächtigen Gebäude der HAW und dem Gelände von Sportspaß eine Bleibe auf Zeit gefunden. Ob die Container – wie in den vergangenen drei Jahren – auch den Sommer über stehen bleiben, hänge vor allem von Spenden ab, sagt Teresa Jakobs.

Draußen läuft eine Bewohnerin am Fenster vorbei, an einer Wand im Büro hängen farbige Schilder mit den Namen der zehn Frauen. Es ist so etwas wie der „Dienstplan“ für die Reinigung der Sanitäranlagen. Am Wochenende wird ein offenes Frühstück angeboten. „Einige ziehen sich zwar stärker zurück als andere“, sagt Teresa Jakobs „aber die meisten suchen schon regelmäßig den Kontakt zu den Studierenden.“

Als sich das Gespräch dem Ende zuneigt, fällt dem Autor dann noch eine Frage ein. „Sind Sie hier eigentlich schon einmal als ‚Mutter Teresa‘ bezeichnet worden?“ Teresa Jakobs lacht. „Ja, eine der Frauen hat mich einmal so genannt.“ Ein Kompliment, welches die Hamburgerin mit Sicherheit gerne nach Hause genommen hat.

Autor: Markus Tischler
Bildbeschreibung Titelfoto: Teresa Jakobs im Container-Projekt: Hilfe für obdachlose Frauen.

2. Februar 2015 von Redaktion

Kategorien: Hamburg hilft, Tatkraft

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