Mein Hamburg: Philipp-Christian Wachs

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen den Chef von HAUS RISSEN, Philipp-Christian Wachs.

Wissen zu vermitteln, gerade bei komplexen Themen, ist seine Leidenschaft. In Hamburg geboren, arbeitete er lange in verschiedenen politischen Institutionen in Berlin, wechselte zur Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, wurde Geschäftsführer der von Helmut Schmidt gegründeten Deutschen Nationalstiftung. Seit 2008 leitet er das HAUS RISSEN.

Sie sind nach langer Zeit in Ihre Heimatstadt Hamburg zurückgekehrt. Was macht Hamburg für Sie aus?

Meine Eltern sagten, das Raumschiff Elbvororte sei schön, die Welt sei aber anders. Vielfältiger. Deshalb haben sie uns drei Brüder aus Hamburg weggeschickt, als wir achtzehn wurden. Ich habe dann lange in Berlin und in Paris studiert und gelebt und bin seit dreizehn Jahren wieder neu in Hamburg. Mir kommt es oft so vor, als sei Hamburg mit sich selbst sehr zufrieden und berauscht sich manchmal daran, Weltstadt sein zu wollen. Aber dafür bräuchte Hamburg mehr Offenheit für Zuzügler und für Einflüsse von außen. Diese Tradition hat die Stadt ja eigentlich seit Jahrhunderten und darauf sollte sich Hamburg auch wieder mehr besinnen.

Was hat Sie daran gereizt, die Leitung von HAUS RISSEN zu übernehmen?

HAUS RISSEN ist eine ganz alte, renommierte Bildungsmarke, die seit der Jahrtausendwende etwas in die Jahre gekommen war. Mich hat gereizt, den zeitlosen Auftrag von 1954, nämlich Jugend für Demokratie und Marktwirtschaft zu gewinnen und die Völkerverständigung zu fördern, neu zu interpretieren, zu modernisieren und so dem alten HAUS RISSEN wieder neues Leben einzuhauchen.

Welche Philosophie hat das Haus?

Wir sind bei den etwa achtzig Bildungsträgern in Deutschland und den dreizehn in Hamburg der einzige, der als gemeinnütziges Unternehmen arbeitet. Wir sind ein besonderer Fall, weil wir als einziges Bildungsinstitut unserer Art keine „starke Schulter“ haben, also keine Partei, keine Kirche, keine staatliche Institution etc., die uns das unternehmerische Risiko abnimmt. Wir leben also von der Güte unserer Ideen für Seminare, Veranstaltungen und Beratungen. Das ist einerseits herausfordernd, andererseits aber auch unsere Stärke, weil wir damit eine weltanschauliche Neutralität und eine politische Unabhängigkeit haben, die uns freier und glaubwürdiger macht. Gerade mit unserer weltanschaulichen Neutralität können wir in großer Unabhängigkeit manche Themen gegen den Strich bürsten.

Worin besteht das Angebot? Welche Schwerpunkte prägen Ihre Arbeit?

Mit unseren Seminaren, Veranstaltungen und Beratungsangeboten tragen wir dazu bei, dass zielführend über Sicherheits-, Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragen nachgedacht wird. Wir sind Themenmaßschneider, die entsprechendes Orientierungswissen bereitstellen. Gerade in Zeiten von Fake News und Social Media mit seinen viralen Effekten braucht man mehr Orientierung durch einen Dschungel von Wissen. Und je jünger die Menschen sind und je digitaler sie aufwachsen, um so wichtiger ist es, ihnen ein paar Leitplanken mitzugeben und Orientierungspunkte zu schaffen.

Sie richten sich insbesondere an Schulen. Wie sieht Ihr Angebot aus?

Wir arbeiten mit fast der Hälfte der Hamburger Schulen zusammen und haben einen Schwerpunkt bei den Schulen mit bildungsfernen Schülerschaften, die am dringendsten Hilfe benötigen. Unsere neun fest angestellten Referenten sind keine Pädagogen, aber didaktisch geschulte Politologen, Geografen, Historiker, Volkswirte. Wir machen Planspiele, Rollenspiele, Debattierakademien. Hier ist also richtig was los. Der außerschulische Lernort HAUS RISSEN und die komplexen Themenstellungen stimulieren die Schüler zusätzlich. All das reizt die Schüler.

Sie bieten aber auch Seminare für Erwachsene an?

Bis in die Neunzigerjahre ließen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter hier schulen. Aber seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde das dramatisch zurückgefahren. Deshalb haben wir heute einen Schwerpunkt bei der interkulturellen Fortbildung der Streitkräfte. Wir schulen für alle Einsatzorte der Bundeswehr, von Litauen, Afghanistan, Nordirak bis hin zu Mali. Wir haben acht Sprachen im Haus, inklusive Arabisch und Russisch. Unsere landeskundlichen Experten unterrichten nicht nur im HAUS RISSEN, sondern in ganz Deutschland.

Sie haben aber auch ein öffentliches Veranstaltungsformat?

Acht bis zehnmal im Jahr machen wir größere Veranstaltungen mit honorigen Gastrednern hier bei uns. Jeder, der sich bei uns registriert hat, wird per E-Mail eingeladen, sodass diese Abende für viele zugänglich sind. Bis zu drei Mal im Jahr laden wir für diese Abende in der Innenstadt in die Hanse Lounge. Ein neues Veranstaltungsformat sind ausgewählte Filmvorführungen mit anschließender Diskussion.

HAUS RISSEN ist ja ein sehr geschichtsträchtiges Haus. Stimmt die Geschichte um John le Carré?

Das Haus wurde von einer deutsch-amerikanischen Reederfamilie gebaut, die Juden waren und 1933 durch die Nazis enteignet wurden. Im Dritten Reich haben die Nationalsozialisten die NS-Gauführerschule für den Parteinachwuchs hier untergebracht. Nach 1945 verkaufte die Jewish Claims Conference das Haus an die Stadt. Unser Trägerverein, gegründet von Erik Blumenfeld, der als deutscher Jude Auschwitz überlebte, hat es 1954 von der Stadt erworben. Der Ort, der einmal als positive deutsch-jüdische Symbiose angefangen hatte, sollte neu und positiv belebt werden.
Schon seit den späten Fünfzigerjahren wurde das Haus für Geheimgespräche zwischen russischen und amerikanischen Offizieren im Vorfeld der Entspannungspolitik genutzt. John le Carré war von 1958 bis 1965 in Deutschland stationiert und als britischer MI5-Agent auch in Hamburg. Er hat hier in den Wäldern gesessen und das Haus abgehört. In vielen seiner Romane kommt eine weiße Villa mit Säulen am Rande einer deutschen Großstadt vor. Da haben Sie HAUS RISSEN.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie für das HAUS RISSEN und für Hamburg?

Wir überlegen, was die Digitalisierung für unsere Bildungsangebote bedeutet, und konzipieren zukünftig neue Formate. Das passt zu unserer über sechzigjährigen Tradition. HAUS RISSEN war immer ein Themengenerator und Themenforum, und dies wollen wir auch die nächsten sechzig Jahre sein. Für Hamburg wünsche ich mir, dass es seine Tradition wieder entdeckt, Neues aufzunehmen, anstatt sich in einem neuen Biedermeier einzurichten. Denn Hamburg ist eine Stadt mit ganz hoher Lebensqualität, gerade auch für Familien.

Wohin lockt es Sie als Privatperson?

Ich liebe die Strandperle. Die Elbe und das bodenständige Strandleben finde ich herrlich. Ich sitze auch sehr gerne in Blankenese auf dem Fähranleger „Op‘n Bulln“. Da gibt es einen kleinen Kiosk. Dort sitzt man direkt an der Fahrrinne mit ihren großen und kleinen Schiffen, blickt auf das Mühlenberger Loch und den Strom elbabwärts. Das ist für mich norddeutsche Weite.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?

Ich bin grundpositiv, bei mir sind halb gefüllte Gläser immer halb voll. Geht nicht, gibt es nicht.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Tielefoto: Philipp-Christian Wachs © David Außerhofer / HAUS RISSEN
Foto: HAUS RISSEN © Ralph Buscher / HAUS RISSEN
Foto: Seminarteilnehmer im HAUS RISSEN © David Außerhofer / HAUS RISSEN
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HAUS RISSEN © Ralph Buscher / HAUS RISSEN

14. Februar 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg lehrt, Mein Hamburg, Wissensdurst

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