Interview: Holger Rönnfeld

St. Pauli, wohin geht die Reise?

Die Konditorei Rönnfeld ist eng mit St. Pauli verbunden. Schließlich existiert das Familienunternehmen in der Hein-Hoyer-Straße schon seit 1958. Gegründet hat es Harry Rönnfeld, der seinem Sohn Holger letztes Jahr die alleinige Meisterschaft in der Backstube überlassen hat. Wir haben mit dem »Junior« über den Wandel auf St. Pauli gesprochen.

Wie hat sich St. Pauli verändert?

Holger Rönnfeld: In den 55  Jahren, die unsere Konditorei auf St. Pauli besteht, hat sich natürlich viel verändert. Ganz früher, da gab’s eine Menge Hafenarbeiter. Dann kam eine Zeit so ab 1965, da fühlten sich die Leute hier nicht mehr wohl. Die wollten lieber ein Häuschen im Grünen. Es fand so eine Art »Entvölkerung« statt. Bis Mitte der 70er Jahre zogen viele St. Paulianer weg und Gastarbeiter aus dem europäischen Ausland kamen her. Zu einem großen Teil haben die auch bei uns gekauft.

Irgendwann, so um 1990 rum, begann der ganz große Run auf St. Pauli. Da war das Viertel plötzlich wieder angesagt. Viele junge Familien zogen hierher, die auch blieben, als ihre Kinder schulpflichtig wurden. Aber ältere und Leute mit Hartz-IV sind schon durch die explodierenden Mieten vertrieben worden. Darunter auch viele Stammkunden.

Stichwort: Gentrifizierung?

Holger Rönnfeld: Ja, heute sind die Veränderungen gravierend. Ich stelle fest, dass die Leute richtig Angst haben vor Vertreibung. Das betrifft auch Gewerbetreibende aller Art. Vertreibung ist, glaube ich, das ganz große Thema, das als dunkle Wolke über St. Pauli schwebt. Auch das Traditionscafé Möller auf der Reeperbahn ist weg. Mein Freund Jens Möller bekam eine Mieterhöhung von 2.000 € auf einen Schlag. Damit wollte er nicht mehr weitermachen. Wir sind heute, neben dem Café Stenzel und dem Café Max, beide am Schulterblatt, die letzte Konditorei auf St. Pauli.

Das Viertel hat sich immer gewandelt, aber es war immer gut. Wandel muss sein. Aber jetzt weiß ich nicht, wo die Reise hingeht. Ich bin skeptisch, weil die Mieten immer weiter steigen.

Werden Sie trotzdem bleiben?

Holger Rönnfeld: Ja klar, denn wir haben überwiegend Stammkunden, viele Fans und starke Solidarität. Ich mag den Mix hier. Die in unserem Laden einkaufen und bei uns bestellen, die machen uns auch aus. Die wissen: Wir sind die Leute mit den kleinen Mengen. Und individuelle Torten sind unsere Mission.

In Bezug auf den Umsatz spielt außerdem das Internet eine immer größere Rolle. Darüber bekommen wir auch Bestellungen von Hamburgern aus dem Ausland. Zum Beispiel aus China oder Australien, die zu Hochzeiten nach Hause kommen. Und wir haben prominente Kunden wie die Bischöfin Jepsen, Lilo Wanders oder Olivia Jones. Die habe ich ohne Make-up hier im Laden allerdings erst gar nicht erkannt.

Das Motto »Klasse statt Masse« steht bei uns ja immer im Vordergrund. Damit schaffen wir es – trotz Gentrifizierung und zwei neu eröffneter Filialen von Bäckereiketten in direkter Nachbarschaft – zwar kritisch, aber trotzdem gut gelaunt in die Zukunft zu blicken.

Vielen Dank für das Gespräch!

ÜBER HOLGER RÖNNFELD, KONDITOR-MEISTER

Holger Rönnfeld ist auf St. Pauli und weit darüber hinaus unter anderem für seine Torten berühmt. Die kreiert der Konditormeister individuell nach Kundenwunsch. Mehr Informationen gibt es zum Beispiel im Marktplatz 

12. November 2013 von Redaktion

Kategorien: Hamburg wohnt, Stadtliebe

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