„Radfahrlehrer ist – streng genommen – falsch“, sagt Christian Burmeister, obwohl er sich als solcher bezeichnet. „Radfahren lässt sich nicht lehren.“ Dennoch heißt die von dem Diplom-Sportwissenschaftler betriebene Webseite www.radfahrlehrer.de. Simple Antwort des 54-Jährigen: „Wenn wir uns diesen Claim nicht gesichert hätten, hätten wir noch weniger Möglichkeiten gehabt, gefunden zu werden.“ Keine Frage: Der Begriff „Radfahrlehrer“ dürfte erste Wahl bei der Internetsuche sein.
Christian Burmeister, Radfahren ist doch ganz einfach, heißt es. Wozu braucht es dann so genannte Radfahrlehrer?
Ich stelle immer wieder fest, dass der Bedarf an solchen Radfahrschulungen sehr groß ist. Ich kann auf fast 30 Jahre Erfahrung zurückblicken. Und ich kann sagen, die Zahl der Erwachsenen, die zwar irgendwie fahren können, aber unsicher sind auf dem Rad, weil sie es nie richtig gelernt haben, ist riesengroß. Unser Ziel ist, bei unseren Teilnehmern die Übungseinstellung zu gewährleisten und so angemessene und präzise Aufgaben zu stellen, dass die Lernenden wie Kinder forschen, lernen und kreativ sind. Natürlich in ihren individuellen Grenzen. Aber dann erledigt das Fahrrad den Rest.
Wie lange dauert so ein Kurs?
Für Erwachsene sind es 20 Übungseinheiten, verteilt über zehn Tage. Wobei die neun Pausen wichtiger sind. Die Neurowissenschaft bestätigt, dass im Schlaf alles am Tag Erlebte und Erfahrene sich zu neuen Qualitäten entwickelt.
Sie sprechen sich dagegen aus, dass Kleinkinder Laufräder benutzen – warum?
Ein Laufrad hinterlässt Spuren, es hat Nebenwirkungen. Kinder gewöhnen sich bei der Benutzung eines Laufrades Dinge an, die sie später mit aufs Rad nehmen und dann in einer Entwicklungssackgasse stecken bleiben.
Das zeigt sich wie…?
Die Kinder gewöhnen sich auf dem Laufrad an, mit den Füßen zu bremsen. Und die Gefahr ist groß, dass sie das als Erwachsene nicht mehr loswerden. Dieser Zusammenhang wird von Verkehrserziehern der Hamburger Polizei übrigens bestätigt. Ein zweites Beispiel: Kinder erschließen sich das Kurvenfahren nicht. Denn auf dem Laufrad bietet es sich an, die Richtungsänderung mit den Füßen zu bewirken.
Das sind alle Ihre Bedenken?
Nein. Laufradgeprägte Kinder haben später auch Schwierigkeiten, in den Pedalen zu stehen, weil sie nicht aus dem Sattel kommen. Im Stehen fahren zu können ist aber wichtig, zum Beispiel beim Anfahren. Und Kinder, die zu früh aufs Laufrad gesetzt werden, katapultieren sich in Geschwindigkeiten, die sie nicht beherrschen und gestalten können. Sie entwickeln kein Gefühl für Abstände.
Und deshalb bieten sie Roller-Training an?
Genau. Im Roller entwickeln Kinder Gefühl für das Stehendfahren sowie Kompetenz, ein Zweirad in eine Kurve zu führen. Und sie bleiben in Geschwindigkeiten, die ihnen angemessen sind – vorausgesetzt, der Roller verfügt über gut funktionierende Bremsen für Kinderhände!
Und wie war das in Ihrer Kindheit?
Ich hatte Glück, meine Schwester hatte einen Ballonroller. Das war damals außergewöhnlich. Dann durfte ich Radfahren mit dem Rad meiner Oma, das 28-Zoll-Reifen hatte, ausprobieren – und das solange, bis ich dann oben saß und die Füße gerade in die Pedale bekam.
Ist Hamburg eine Fahrradstadt? Oder keine?
Hamburg ist eine gemischte Stadt. Hier ist der Radverkehr lange ignoriert worden. Aber mittlerweile ist eine Menge Toleranz vorhanden, und ich bin überzeugt, dass Hamburg zu einer Fahrradstadt wird. Das Entwicklungspotenzial ist sehr groß.
Wo sind Sie am liebsten in der Stadt unterwegs?
Überall. Von den Boberger Dünen bis in die Wedeler Au. Von den Harburger Bergen bis nach Duvenstedt. Von der Speicherstadt bis zur Köhlbrandbrücke.
Bildbeschreibung: Christian Burmeister hat fast 30 Jahre lang Erfahrung als Radfahrlehrer gesammelt.
Interview: Markus Tischler
28. September 2015 von RedaktionKategorien: Hamburg hilft, Tatkraft
Schlagworte: Christian Burmeister, Fahrradstadt, Hamburg, Kinder, Laufrad, Radfahrlehrer