Mein Lieblingsort ist nicht schön. Er war es auch nie. Hier regierte stets Funktionalität. Die umfangreiche Modernisierung aus Anlass der Fußball-WM 2006 in Deutschland, als auch Hamburg vier Partien austragen durfte, hat dies sogar noch verstärkt. Und dennoch ist der Bahnhof Eidelstedt mein Hamburger Lieblingsort.
Von Stuttgart heißt es, das Beste an dieser Stadt sei die Autobahn nach München. So etwas würde ich über Eidelstedt nie sagen, ich denke es nicht einmal. Denn dieser Bahnhof ist ein ganz besonderer. Auch an der Kellinghusenstraße, dem Schlump, in Norderstedt Mitte oder Wandsbek Markt kann man umsteigen. Doch nur in Eidelstedt ist mit diesem profanen Vorgang des Streckenwechsels der Eintritt in eine andere Welt verbunden.
Harry Potter in Eidelstedt
Eidelstedt verwandelt einen, der Aggregatzustand ändert sich. Fast möchte man meinen, er habe mythische Kräfte so wie der Londoner Bahnhof King’s Cross mit seinem geheimen Gleis 9¾, das aus den „Harry Potter“-Abenteuern bekannt ist. In Eidelstedt trifft das Ländliche auf das Städtische. Von den Dorfstationen wie Nützen, Tanneneck oder Hasloh kommt der dieselbetriebene Zug der AKN an, hält in Eidelstedt und endet hier. Man hat keine andere Wahl, muss aussteigen, sich entscheiden.
Die Stadt lockt – und wir werden gerne schwach
Doch es ist schön, dass es hier nur weitergeht, nichts stillsteht. Man kann den Bahnhof verlassen, um sich nach einem kurzen Fußweg Spiele des Hamburger SV anzuschauen oder Veranstaltungen in der o2 World zu besuchen.
Richtig städtisch wird es aber erst dann, wenn einen die S-Bahn Richtung Süden trägt. Das weltoffene Altona lockt, die belebte Innenstadt. Ein Traum! Welch Abwechslung!
Und geht es zurück – ist das Städtische hinter einem, die Urbanität am Schwinden oder sogar ganz verschwunden – dann setzt Beruhigung ein. Man kommt runter. Die Bebauung wird luftiger, Lücken erscheinen, es sind die Leerstellen, die die Seele braucht. Felder ziehen an einem vorbei, Kühe grasen, fast schon klischeehaft das Ganze, egal! Noch ein paar Autos passieren, die an den Bahnschranken warten, noch ein wenig tuckernd durch die Gegend, scheinbar ziellos. Dann endet die Fahrt, das Erlebnis klingt nach.
Bis 2020 soll die AKN-Linie ausgebaut werden. Dann geht es von Kaltenkirchen bis zum Hauptbahnhof Hamburg mit der S-Bahn. In einem Rutsch, ohne Umsteigen, soll fünf Minuten Fahrzeitersparnis bringen. Effizienz ist nicht alles.
Dieser Beitrag ist Teil der HAMBURG schnackt! Aktion MEIN LIEBLINGSORT. Auf der Aktionsseite finden Sie weitere Informationen und Lieblingsorte in der interaktiven Hamburg-Karte. Sie haben auch einen Lieblingsort? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail oder besuchen die Lieblingsort-Gruppe. Dies ist ein Lieblingsort von:
CLEMENS GERLACH, HAMBURG SCHNACKT!
Schon als Kind nutzte Clemens Gerlach gerne den ÖPNV. Busfahren war eines seiner Hobbys (ging auch nicht anders, irgendwie musste man ja aus dem Dorf rauskommen). Und heute schätzt der 48-Jährige Bahnfahrten sehr, gerne zusammen mit lieben Menschen.
22. Mai 2014 von Redaktion
Kategorien: Hamburg wohnt, Stadtliebe
Schlagworte: AKN, Bahnhof, Eidelstedt, Hamburg, Lieblingsort, S-Bahn
Die Überschrift „Mein Lieblingsort: Bahnhof Eidelstedt“ hat mich stutzig gemacht. Ich habe mich gefragt, ob der Autor tatsächlich „den“ Bahnhof Eidelstedt meint oder ob es da etwas gibt, von dem ich bisher keine Ahnung hatte? Das Bild hat mich dann schlagartig zurückgeholt in die Realität. Ja es ist „der“ Bahnhof Eidelstedt, an dem es außer den beiden Gleisen für S-Bahn und AKN und einem Minikiosk auf dem Bahnsteig nichts weiter gibt.
Wer so einen Artikel über diesen Bahnhof schreibt, der muss wirklich eine innige Verbindung damit haben. Respekt. Vielleicht versuche ich auch mal, die Perspektive darauf zu ändern und den Blick zu weiten. Wer weiß.