Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen die Schriftstellerin Carmen Korn.
Geschichten schreiben, wollte Carmen Korn schon immer. In Düsseldorf geboren, wuchs sie in einem Künstlerhaushalt auf, ihr Vater Heinz Korn war Komponist und Musiker. Doch eine solide Ausbildung sollte sein, und so lernte sie Journalismus an der Henri-Nannen-Schule, wurde Redakteurin beim Stern. 1989 schrieb sie ihren ersten Roman. Es folgten viele Werke, darunter etliche Krimis, auch für die ˮSchwarze Hefte“-Reihe des Hamburger Abendblattes. Nun ist der dritte Band ihrer Jahrhundert-Trilogie über vier Frauenschicksale auf der Uhlenhorst erschienen
In Ihrer Trilogie haben Sie ein ganzes Jahrhundert Hamburg in den Blick genommen. Wie sehen Sie die Stadt?
Ich bin 1975 nach Hamburg gekommen. Anfangs habe ich ein wenig gefremdelt, fand die Stadt spröde. Ich kam aus Köln und München, zwei Städte, von denen ich damals dachte, dass man dort schneller Kontakt findet. Diese Selbstverständlichkeit, mit der man heute überall bei den ersten Sonnenstrahlen draußen sitzt, ins Gespräch kommt, das gab es damals selten. Das Leben fand kaum draußen statt. Das hat sich aber völlig verändert.
Wie haben Sie es geschafft, sich einzuleben?
Ich habe kleine Anker geworfen und habe wunderbare Orte gefunden: die Buchhandlung Felix Jud im Neuen Wall oder das Restaurant Cuneo in der Davidstraße. Ich habe mich immer mehr auf die Stadt eingelassen, und plötzlich konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. Ich habe meine Kinder hier bekommen und aufgezogen, hatte hier meine wichtigen beruflichen Stationen. Durch meine Bücher ist mir Hamburg dann noch einmal viel näher gekommen.
Ist Hamburg denn eine geeignete Stadt für Geschichten?
Ich kenne mich in Hamburg am allerbesten aus und um zu schreiben, muss ich einen Schauplatz gut kennen. Hamburg ist unglaublich spannend und vielschichtiger als andere Städte, so viele Milieus treffen hier aufeinander. Da weht frischer Wind, nicht nur als Brise von der Elbe, der sorgt auch für eine Weite in den Köpfen. Das ist schon etwas Besonderes.
In Ihrer Trilogie geht es um vier Frauen, die um 1900 geboren wurden. Der letzte Band endet ein Jahrhundert später. Wie haben Sie sich den Verlauf von hundert Jahren erschlossen?
Als ich 1976 in dieses Haus auf der Uhlenhorst einzog, lernte ich Frauen aus der Generation meines ersten Bandes kennen. Sie hatten Freude daran, ihrer jungen Nachbarin zu erzählen, wie es damals war, unter den Nazis, in den Bombennächten. Das war eine Schatzkiste voller Augenzeugenschilderungen. Darüber hinaus habe ich ausführlich recherchiert, alte Fotoarchive gesichtet, Biografien gelesen. Die großen zeitgeschichtlichen Ereignisse sind ja bestens dokumentiert. Aber die kleinen Dinge des Alltags – da war die Recherche schon aufwändiger. Wie wurde die große Wäsche gewaschen? Mühevoll. Oder was für Narkosemittel hatten sie in der Finkenau für ihre Operationen? Der Sprachgebrauch: Wie hat Käthe wohl ihrer Freundin erzählt, dass sie mit Rudi geschlafen hat? Schließlich habe ich in Autobiografien entdeckt, dass das Wort auch damals in dem Sinn benutzt wurde.
Sie haben viele Jahre als Journalistin gearbeitet. Wie sind Sie zum schriftstellerischen Schreiben gekommen?
Ich habe eigentlich immer geschrieben, seit ich Buchstaben aneinanderreihen kann, und hatte auch schon lange vor, etwas Fiktives zu schreiben. Dass ich erst einmal Journalistin geworden bin, da wollte ich einfach vernünftig sein, die Redakteursstelle beim Stern war mein Brotberuf. Meine ersten beiden Bücher waren Kammerspiele, Beziehungsdramen. ˮThea und Nat ist mit Corinna Harfouch vom ZDF verfilmt worden, das zweite Buch, ˮDas Singende Kind“, eine Dreiecksgeschichte, war mir eines der liebsten Bücher, jedoch nicht erfolgreich. Inzwischen habe ich die Personenzahl in meinen Romanen ja enorm aufgestockt.
Wie sind Sie zum Krimi gekommen?
Volker Albers hatte mich gefragt, ob ich eins der Schwarzen Hefte fürs Hamburger Abendblatt machen wolle. Da spielt ja in jedem Stadtteil eine Kriminalgeschichte. Ich habe mir Harvestehude ausgesucht. Ohne viel über das Krimigenre zu wissen, habe ich mich da ran getraut, es ging mir auch leicht von der Hand, und gleich einen Krimipreis gewonnen. Damit fing meine Phase als Krimiautorin an. Ich bin da nicht ungerne lange hängegeblieben. Aber mit der Jahrhundert-Trilogie habe ich nun mein Thema gefunden: Familien- und Freundschaftsgeschichten. Auch in meinen Krimis hat es schon Küchentische und Hühnersuppe auf dem Herd gegeben. Mich haben immer eher die Geschichten der Menschen interessiert, ich bin keine begeisterte Plotterin für blutrünstige Themen.
„Zeitenwende“ – der dritte Teil vollendet die Trilogie
Er beginnt 1970. Die Freundinnen Henny, Käthe, Ida und Lina sind nun ältere Damen, ihre Kinder sind inzwischen erwachsen. Der zweite Band endete als Cliffhanger damit, dass Idas Tochter Florentine schwanger ist. Im letzten Band geht es darum, wer der Vater ihres Kindes ist, denn DNA-Tests außerhalb der Forensik gibt es erst seit 1990. Bis zum Jahre 2000 geht es um die großen Fragen der Zeitgeschichte, um die RAF, um Aids, um eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West und den Mauerfall.
Was hat Sie an den Frauenschicksalen gereizt?
Die jungen Menschen verlieren leicht aus dem Blick, in welch privilegierter Situation sie leben. Wir alle sollten den europäischen Gedanken hochhalten. Seit Jahrzehnten gab es keinen Krieg mehr in unserem Land, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden, ist Sache des eigenen Willens, die Homo-Ehe ist erlaubt. Das alles sollten wir wertschätzen. Bei den Lesungen merke ich allerdings, dass es in den beiden Generationen vor uns einen großen Unterschied zwischen Stadt und Land gibt. Wie meine Großmütter und deren Schwestern sind auch meine Frauen Städterinnen. Für sie waren die Zwanzigerjahre eine Aufbruchzeit. Das hat man auf dem Land so nicht leben können. Viele ältere Leserinnen erzählen, die Bücher hätten ihnen geholfen, über ihr Leben zu reden. Inzwischen animieren die Töchter ihre Mütter und Großmütter zum Lesen. Über die Bücher kommen die Generationen miteinander ins Gespräch.
Ihre Trilogie soll verfilmt werden, freuen Sie sich darauf?
Ich bin sehr gespannt. Es geht erst einmal um die Verfilmung des ersten Bandes. Da gilt es jetzt, eine Finanzierung zustande zu bekommen. Historische Stoffe zu verfilmen, ist teuer. Man muss in diesem Geschäft enorm viel Geduld haben. Ich bewundere Produzentin Heike Wiehle-Timm, wie sie da die Fäden in der Hand behält. Es ist wesentlich einfacher, ein Buch zu schreiben. Ich unterstütze die Produktion gerne mit meinem Wissen durch die lange Recherche, aber ansonsten halte ich mich völlig raus und überlasse alles den Filmprofis. Aber ich bin neugierig, wer welche Figur spielt.
Wenn Sie heute auf Hamburg blicken, welche Entwicklung wünschen Sie sich für die Stadt?
Ich hoffe, dass Hamburg sich Offenheit und den weiten Geist bewahrt und nicht verengt in Zeiten, wo immer mehr Menschen einen Zufluchtsort suchen. Mehr noch sollte Hamburg die Menschen mit weiten Armen empfangen und sich nicht von den augenblicklichen Zeitströmen beirren lässt. Ich hoffe, dass wir tolerant bleiben.
Wohin zieht es Sie in Hamburg? Haben Sie Lieblingsplätze in der Stadt?
Mich zieht es immer wieder an die Alster. Ich liebe es, in der Alsterperle auf der Bank zu sitzen und der Sonne zuzuschauen, wenn sie auf der gegenüberliegenden Seite untergeht. Ich spaziere auch mal gerne von Övelgönne nach Teufelsbrück oder von St. Katharinen zum Hafen runter.
Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?
Auf meinen Beruf bezogen liebe ich ein einen Satz von Michael Ende: „Die einzige Wirklichkeit, die man guten Gewissens beschreiben kann, ist die, die man selber erfindet.“
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Autorin: Herdis Pabst 2019 / Redaktion aktualisiert 2020
Titelfoto: Carmen Korn © Jörg Brockstedt – Rowohlt Verlag
Foto: Buchtitel ˮZeitenwende“ von Carmen Korn © Rowohlt Verlag
Kategorien: Hamburg liest, Kulturgenuss, Mein Hamburg
Schlagworte: Carmen Korn, Frauenschicksale, Jahrhundert-Trilogie, Krimi, Literatur, Roman, Zeiten des Aufbruchs, Zeitenwende, ˮTöchter einer neuen Zeit“
Ein interessanter Artikel, wenn man Carmen Korns Trilogie gelesen hat.
Ich lebe im Ausland und bin zufällig auf das erste Buch gestoßen. Dann hat mich die Geschichte nicht mehr losgelassen und alle drei Bücher wurden von mir hintereinander verschlungen. Jetzt fehlen mir die Personen ein wenig – so sehr habe ich mich emotional eingelesen. Das würde ich der Autorin selber sagen wollen. Ihre Bücher waren unterhaltsam, spannend und nicht zuletzt aufgrund der geschichtlichen Ereignisse lehrreich. Ich habe lange Zeit nicht mehr so viel und oft gelesen.
Als Mann diese Bücher lesen? UNBEDINGT, wie Kurt Landmann immer zu sagen pflegte. Eine solche Geschichte mit so vielen schönen und auch so vielen traurigen Passagen, so einfühlsam erzählt, dass man sich spätestens Mitte des ersten Buches als Familienmitglied fühlt … Es ist jederzeit spannend, jederzeit lustig und traurig zu gleich, man lebt die Zeit richtig mit und wenn man ein kleines bisschen Allgemeinbildung hat, können die kleinen geschichtlichen Schlenker sehr gut nachvollzogen werden. Mehrfach musste ich das Buch weglegen, weil mich Passagen so emotional berührt haben. Unglaublich welches Feingefühl Carmen Korn beweist. Ich hätte mir gewünscht, dass die einzelnen Erzählstränge im 2. und 3. Band ausführlicher auserzählt werden. Das ist aber wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass ich nicht wollte, dass die Geschichte irgendwann ein Ende findet. Man hätte daraus dann leicht sich einen vierten Band machen können. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Ich freue mich auf die Verfilmung, habe auch Bammel, dass der Film nicht im Entferntesten an die Bücher ranreicht. Bitte frische Leute and Werk, die man nicht schon in 100 anderen Rollen gesehen hat.
Ich habe die Bücher als Hörbuch angehört, bin jetzt im dritten Teil und kann gar nicht mehr aufhören. Die Geschichte begleitet mich schon viele Tage und ich bin ‚mittendrin‘. Sehr interessant um zu lesen, wie die Hauptpersonen verschiedene Aspekte miterleben, die man mal irgendwann in den Geschichtsbüchern gelesen hat und sich vorzustellen, wie das gewesen sein muss. Und so langsam kommt man zur jüngeren Geschichte und wird an Sachen erinnert, die man selbst miterlebt hat.
Ich war als Jugendliche in Hamburg, aber möchte nach dieser ‚Hörerfahrung‘ unbedingt mal wieder hin, vor allem um dann eine Spatziergang um die Alster zu unternemen, so wie es davon im Buch zahlreiche gab 🙂
ich habe den ersten Band geschenkt bekommen und habe ihn sofort verschlungen. Es ist die Zeit in der meine Mutter (Anni) gelebt hat. Sie ist 1919 in Hamburg geboren, mein Vater 1914. Meine Mutter hat mir viel aus dem Krieg in Hamburg erzählt, da sie aber schon fast 40 Jahre nicht mehr lebt, fehlen mir die Geschichten aus dieser Zeit. Es war sehr schön die Namen meiner Onkel und Tanten zu hören. Habe mir aber noch nichts dabei gedacht, als Ich von Rudi und Käthe las, zwei Namen wie mein Onkel Rudi und Tante Käthe….Als ich dann den 2. Band las, bin ich fast vom Hocker gefallen. Die Anni im 2. Band bekam e eine Tochter namens Ragnhild zur Welt! Meine Mutter heißt Anni, ich Ragnhild, grundsätzlich nichts Außergewöhnliches. Aber Ragnhild heißen in Hamburg nicht sehr viele und in der Finkenau bin ich auch geboren. Nun habe ich die Frage liebe Carmen Korn, wie sie ausgerechnet auf Anni und Ragnhild gekommen sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn es dazu einen Bezug zur Wirklichkeit gibt. Bitte schreiben Sie mir.
VG Ragnhild Möller
Guten Tag,
ist es möglich von Frau Carmen Korn eine Emailadresse zu bekommen ? Ich schreibe derzeit selbst an meiner Biographie, bin fast am Ende und hätte eine für mich wichtige Frage zu dem Schlagersong ihres Vaters, von Peggy March gesungen. Ich möchte diesen Text im Buch verwenden und bin nicht sicher, ob das erlaubt ist. Wenn Sie mir die Emailadresse nicht geben können, kann dann Frau Korn bitte mit mir Kontakt aufnehmen, indem Sie ihr meine Anfrage weiterleiten ? Vielen Dank und freundliche Grüße aus Heidelberg, Angie Klocke
Moin,
ich habe diese Trilogie, die in meiner Lieblingsstadt Hamburg spielt, verschlungen.
Besonders mit Band 1 bin ich tief in die Welt meiner Großeltern eingetaucht. Der Schriftstellerin Carmen Korn gelingt es, von der ersten bis zu letzten Seite ihre Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Großartig.
Freue mich schon auf die Verfilmung.
Herzlichst,
Ulrike Zecher
Liebe Frau Korn. Ich kenne ihre Jahrhundert Trilogie… Habe mit Henni, Käthe, Lina und Ida gelacht und geweint. Was mich jedoch sehr interessieren würde, wären die fünfzig Jahre davor….. Mit Karl und Annsche Laboe, mit Else und Heinrich Godhusen. Mit den Eltern von Ludwig und Karoline, sowie Karl Christian Bunge und Henriette( dem Eichhörnchen). Auch die Liebesgeschichte von Alesandro Garutti und Therese Odefey wäre seeehr interessant.
Bestünde da die Möglichkeit zumindest ein Buch der Menschen vor Henni, Käthe, Rudi, Theo, Lina und Ida würde diese Romanreihe vollenden. Ihre Bücher der Hamburg- und Städte Trilogie besitze ich alle und habe sie schon X – mal weiter verschenkt (20 x reichen nicht). Jeder der Beschenkten war sehr begeistert und hat mich gefragt, ob es auch die Vorgeschichen zu der Hamburg Trilogie gäbe Über eine Nachricht ihrerseits würde ich mich sehr freuen. Bleiben sie gesund. Liebe Grüße aus Bayern ( Mittelfranken, Roth) Stefanie Koch
karl C
Sehr geehrte Frau Korn,
wie sehr lebt man mit in dieser beeindruckenden Geschichte und fühlt mit allen Personen. Ich habe gerade alle Bücher ein zweites Mal gelesen und empfand, dass es sich noch intensiver eintauchen lässt in diese Jahrhundertgeschichte. Erstmal lese ich kein anderes Buch, da es gefühlsmäßig noch so lebendig im Nachgang bleibt.
Herzlichen Dank für diese wunderbaren Bücher. Ich freue mich auf viele weitere interessante und fesselnde Geschichten.
Herzliche Grüße
Dorothea v. Nordheim