Mein Hamburg: Barbara Plankensteiner

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Barbara Plankensteiner vom MARKK, Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt.

Über Europa hinauszublicken und mehr von der Welt zu verstehen, war Barbara Plankensteiner schon immer wichtig. Die gebürtige Südtirolerin hat in Wien Ethnologie, Philosophie und Afrikawissenschaften studiert, arbeitete am Weltmuseum Wien und wechselte 2015 an die Yale University Art Gallery in New Haven, USA.  Seit April 2017 ist Barbara Plankensteiner Direktorin des 1879 gegründeten Museums für Völkerkunde, das heute ˮMARKK, Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt“ heißt.

 Sie sind jetzt zwei Jahre in Hamburg. Wie wirkt die Stadt auf Sie?

Hamburg ist ungefähr so groß wie Wien, aber natürlich keine Hauptstadt und auch keine imperiale Stadt. Dass Hamburg eine von Bürgern geprägte Stadt ist, ist in vielem spürbar und für mich sehr interessant. Das ist ähnlich mit den USA, denn auch dort gibt es ein sehr hohes Engagement der Bürger für Kultur. So gibt es hier von beiden meiner früheren Wirkungsstätten vergleichbare Momente, die sich auf eine andere Art und Weise zusammenfügen.

Was hat Sie gereizt, nach Hamburg zu kommen?

Ich kannte Hamburg nur von kurzen Besuchen. Mich reizte dieses Museum, weil es hier sehr interessante Sammlungen gibt, weil hier viel zu tun und zu erforschen ist. Auch die Lage des Museums in dieser Stadt des Welthandels finde ich sehr spannend, weil das Haus dadurch zu einem besonderen Museum in Deutschland und Europa wird. Es ist eine schöne Aufgabe, dieses Museum neu zu positionieren und ich freue mich, dass daran ein so großes Interesse in der Stadt zu spüren ist.

Welche neue Ausrichtung planen Sie?

Mit Unterstützung der Kulturbehörde ist es nun mein Auftrag, dieses Haus neu in der Museumslandschaft zu etablieren. Das Museum und seine Sammlungen sind es wert, dass das Haus eine wichtigere Rolle im Kulturleben der Stadt spielt, dass es auf Augenhöhe mit den anderen Museen operieren kann. Das ist entscheidend für unsere heutige Gesellschaft, die eine globalisierte ist. Das Ziel ist, dass Kultur und Kunstgegenstände aus der ganzen Welt eine gleiche Würdigung erfahren wie unsere europäischen Kunst- und Kulturgegenstände. Die zentrale Vision, auf die wir hinarbeiten, ist die Stärkung und bessere Erschließung der Sammlungen. Dazu gehört eine andere Würdigung der Bestände und eine andere Art und Weise, wie wir sie präsentieren und uns damit beschäftigen. Andrerseits soll dieses Haus auch ein Ort für wichtige und kritische gesellschaftliche Debatten in diesen Themenfeldern sein. Beispielsweise ist die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und dem kolonialen Erbe essenziell für ein besseres Zusammenleben in unserer Gesellschaft und damit ein ganz zentrales Thema.

 

Wie zeigt denn die Sammlung Hamburgs Anteil an der Kolonialgeschichte?

Natürlich hängen ethnografische Sammlungen immer mit der Kolonialzeit zusammen. In unserer Sammlung werden ganz klar die Bezüge zum Welthandel deutlich. Die Objekte kamen über diese Kanäle in die Sammlung. Aber auch das war Bestandteil eines Systems, das geprägt hat, wie wir Menschen außereuropäischer Kultur verstanden, gesehen und interpretiert haben. Heute geht es dabei um die Frage, wie sehr der Handel mit der kolonialen Beherrschung und deren Ausbreitung zusammenhängt. Bei dieser historischen Frage gibt es noch viel zu diskutieren und zu erforschen. Auf jeden Fall gilt es, Bilder zurechtzurücken. Das ist auch ein wichtiger Bildungsauftrag für das Museum.

Ist auch die Rückgabe von sogenannter Raubkunst für das MARKK ein Thema?

Wir beginnen da Gespräche zu führen und sind auch maßgeblich am Benin Dialogue beteiligt. Das ist für alle unsere Museen eine große Herausforderung, auch weil wir nicht unbedingt die Ressourcen haben. Wir müssen ja einen Museumsbetrieb aufrechterhalten. Da ist das Personal mehr oder weniger gebunden. Wir brauchen hierbei Unterstützung, bekommen sie aber inzwischen auch zum Teil. Ich finde es schon beeindruckend, wie offen man sich mit diesen ganz wichtigen Fragen in der Politik in Deutschland mittlerweile auseinandersetzt, auch in Hamburg. Allmählich wächst in Europa das Bewusstsein, dass Kultur und Kunstgeschichte anderer Weltregionen eine wichtige Rolle spielen. In den Weltkulturen-Museen in Deutschland, also auch hier in Hamburg, hat man lange die Exotik zum Programm gemacht. Unsere Aufgabe ist, diesen Kurs zu ändern.

War deshalb auch die Umbenennung nötig?

Der Namenswechsel war sehr wichtig. Das war ein markanter Moment. Ich glaube, dass viele Menschen, die den Namenswechsel sehr kritisch gesehen haben, inzwischen verstehen, warum solch ein starkes Zeichen notwendig war, um auch nach außen zu markieren, wie wichtig eine inhaltliche Änderung im Umgang mit diesen ethnologischen Themen ist. Wir transportieren nun ein ganz anderes, frischeres, jüngeres und aufgeschlosseneres Image nach außen. Wir erreichen neue Zielgruppen. Wir müssen als Museum ja immer darauf achten, dass wir im Kurs der Zeit bleiben und uns mit Fragen der Gegenwart beschäftigen. Mein Eindruck ist, dass die meisten, die unser Programm verfolgen und die Ausstellungen besuchen, das sehr wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Erste Dinge Rückblick und Ausblick im MARKK

 

Allerdings hatte das Museum im letzten Jahr einen Besucherrückgang.

So etwas ist nicht ungewöhnlich, wenn sich ein Museum in einem radikalen Umbau, also einer Generalerneuerung befindet. Wir werden die gesamten Dauerausstellungen neu gestalten und das Haus renovieren, ein neues Depot schaffen. Wir werden das Haus so richtig erst wieder verfestigen können, wenn wir komplett neu eröffnen. Diese Erfahrung machen alle Häuser.

Erhalten Sie dafür die nötige Unterstützung von der Stadt, auch finanziell?

Die Behörde für Kultur und Medien hilft uns da sehr. Auch vom Innovationsfonds der Stadt Hamburg bekommen wir eine großartige Unterstützung, sodass wir einige Stellen nachbesetzen können. Das Verständnis, wie wichtig dieses Museum für Hamburg ist, ist dort ganz stark verankert.

Im September beginnt die Sonderausstellung ˮAmani“.

Da beschäftigen wir uns mit den Spuren des kolonialen Erbes in Tansania und Deutschland. Die Ausstellung dreht sich um das 1902 gegründete ˮBiologisch-Landwirtschaftliche Institut Amani“. Mit dem Blick auf dieses koloniale Forschungsprojekt wollen wir zeigen, womit sich unser Fach heute beschäftigt, also nicht mit einer Beschreibung von Völkern, sondern auch mit Fragestellungen, die eine neue Perspektive auf das Thema Kolonialismus werfen und die Herausforderungen dieser Forschung reflektieren. Dies ist eine Ausstellung kleineren Formats, die aber wichtige Fragen stellt und in der wir mit Kolleg*innen in Tansania und zeitgenössischen Künstlerinnen zusammenarbeiten. Wir wollen uns auch immer wieder auf solche kleineren Projekte fokussieren, für die sich dann bestimmte Zielgruppen interessieren. Im nächsten Jahr werden wir wieder zwei große Ausstellungen haben. Wir wollen eine Balance zwischen solch unterschiedlichen Projekten.

Wie ist Ihr Interesse an der Museumsarbeit eigentlich entstanden?

Mich hat immer schon interessiert, mit Menschen zu arbeiten. Und ich wollte mehr von der Welt verstehen, über Europa hinaus. Diese entscheidenden Punkte haben mich bewegt, Kultur- und Sozialanthropologie zu studieren. Ich wollte auch immer schon mit Objekten und Kunst arbeiten. Da war es klar, dass man im Museum landet. Mir gefällt, an dieser Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu agieren. Es ist wichtig, dass es Museen gibt, die die Erkenntnisse der Wissenschaft in Ausstellungsprojekte für eine größere Öffentlichkeit übersetzen.

Wenn Sie auf die Stadt blicken, welche Stärken hat sie, was könnte besser werden?

Für ein fundiertes Urteil bin ich zu kurz da. Es gibt ja hier viele kulturelle Angebote. Aber ich würde mir wünschen, dass die Museen eine größere Rolle spielten. Ich glaube, dass deren Angebot, das ja teilweise herausragend ist, von der breiten Bevölkerung zu wenig wahrgenommen wird. Es wäre wunderbar, wenn auch die Museen ein Zugpferd des Hamburger Tourismus werden könnten.

Haben Sie schon Orte in Hamburg entdeckt, die Sie besonders mögen?

Ich finde in Hamburg die Nähe zum Wasser wunderschön. Da kann man sich abends an die Kanäle und die Alster setzen oder auch an die Elbe. Hamburg ist eine sehr grüne Stadt und hat eine angenehme Ausstrahlung. Da kann man sich gut mit dem Rad durch die Stadt bewegen. Aber ich gehe natürlich auch gerne ins Theater und vor allem in die anderen Museen. Das Angebot ist durchaus vergleichbar mit Wien.

Haben Sie ein Lebensmotto, ein Lieblingszitat oder Lieblingsschnack?

Ich finde es wichtig, dass man bei der Arbeit, gerade auch im Museum, Freude und Begeisterung spürt, dass gute Laune und Humor Platz haben, dass es eine offene Gesprächskultur gibt. In diesem Sinne glaube ich, dass man mit Diplomatie mehr erreicht, als mit Konfrontation.

 

 

Autorin: Herdis Pabst
Fotos:
Barbara Plankensteiner © Paul Schimweg/MARKK
MARKK Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt © Paul Schimweg/MARKK
Erste Dinge Rückblick und Ausblick © Paul Schimweg/MARKK

4. September 2019 von Redaktion

Kategorien: Hamburg entdeckt, Mein Hamburg, Stadtliebe

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