Pop Oratorium Die 10 Gebote Hamburg Michel

Moses bringt den Michel zum Wackeln

Das Ensemble war riesig, die Stimmung auch. Das Pop-Oratorium „Die 10 Gebote“ im Hamburger Michel überzeugte mit Gänsehautmusik, starker Besetzung und fantastischem Chor.

Oratorium und Popmusik – wie soll das zusammen gehen? Üblicherweise werden in Kirchen klassische Werke gespielt, von Bach oder Händel. Meist eher ernst.
Die Inszenierung „Die 10 Gebote“ von Michael Kunze und Dieter Falk animierte am vergangenen Samstag die gut 2000 Besucher im ausverkauften Michel zum Lachen und Mitklatschen.

Die Musik ist ein Mix aus Pop, Musical, Soul und Gospel. Die Kostüme sind schlicht und aus Leinen, weiß und braun dominieren. Den Michel-Altar ziert das bekannte Jesus-Glasmosaik, Kulissen gibt es keine. Und braucht es auch nicht, denn es ist auch so genug auf der Bühne los. Bei all den Darstellern und Instrumenten weiß man gar nicht, wohin man zuerst blicken soll.

Eine frech wie Miley Cyrus, ein anderer seeeehr männlich

Das ändert sich, als Moses die Bühne betritt. Sascha Krebs hat schon den Jesus in „Jesus Christ Superstar“ gespielt, rockt jetzt mit langen Haaren und seeeehr männlicher Stimme den Michel. Er kann aber auch demütig und zart agieren, wenn er Gott anfleht oder zusammen mit seiner Frau Zipporah (Bonita Niessen) singt. Die wiederum schlägt mit ihrer Powerstimme ein wie ein Blitz – ein toller Kontrast zur Sanftmütigkeit der Rolle.

Anstelle der klassischen Rezitative berichten zwei junge Erzähler in Jeans und Karohemd. Paul Falk singt klar und selbstbewusst, Yosefin Buohler interpretiert ihren Gesangspart bombastisch und guckt dabei frech wie Miley Cyrus.

“Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“

Moses’ Bruder Aaron wird von den Hamburgern fröhlich begrüßt – Frank Logemann kennt man hier aus den Musicals „Mamma Mia“ und „Rocky“, für ihn ist es quasi ein Heimspiel.
Auch Frank Logemann merkt man an, dass die Bühne seine Heimat ist. Selbst die ungewöhnliche Besucherverteilung im Michel – man schaut aus Nord, Süd, West und verschiedenen Höhen – kann ihn nicht aus der Ruhe bringen.

Kreischend wird der Pharao (Stefan Poslovski) beklatscht. Der wirkt in seinem Leopardenmusterkostüm skurril und irre lustig. Der optische Eindruck wird durch die Texte verstärkt: „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein, was man prophezeit, trifft ein“, singt Stefan Poslovski.

Jonathan Agar als Naroch sieht und hört man den Neid auf Moses überzeugend an. Das Ensemble (Silke Braas, Linda Stark, Stefan Stara und Kristian Lucas) besetzt Hirten, Engel und Sklaven. Die vier wechseln sekundenschnell die Rollen und können auf der sehr begrenzten Bühne sogar noch zeigen, was sie choreographisch drauf haben. Die Regiearbeit von Doris Marlis überzeugt.

Die Inszenierung regt die Zuschauerfantasie an

Selbst szenisch und inhaltlich schwierige Stellen wie die Teilung des Meeres gelingen. Das Geheimrezept in der ungewöhnlichen Bühnenumgebung mit Altar, Gängen und Rängen ist dabei die Aktivierung der Zuschauerfantasie. Dass Moses mit dem Volk Israel den Mittelgang hinunterschreitet und sich dabei zu beiden Seiten das Meer aufbäumt, sieht jeder einzelne vor seinem inneren Auge.

Die zwei Chöre auf den blau beleuchteten Seitenrängen sind ganz in weiß gekleidet. Die Einsätze der insgesamt 550 Sänger kommen auf den Punkt. Das ist eine Riesenleistung.

Eindeutige Botschaft: „Liebe ist das Gebot“

Denn Christiane Canstein und Pascal F. Skuppe, die jeweils von einem Rang aus dirigieren, müssen sich mittels Zeichensprache verständigen. Und dabei auch noch Doris Vetter vom Chorverband Hamburg einbinden, die wiederum das Orchester unter dem Altar führen muss.

Spätestens dann, wenn der Chor sich im Refrain einschaltet und Stellen wie „Je größer die Not, desto näher ist Gott“ hervorhebt, ist Gänsehaut angesagt. Jeder hat verstanden: „Liebe ist das Gebot“. Bitte spielt bald wieder in Hamburg!

Autorin: Anja-Katharina Riesterer

15. September 2014 von Redaktion

Kategorien: Hamburg musiziert, Kulturgenuss

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