Mein Hamburg: Uwe Jens Neumann

Was lieben die Hamburger an ihrer Stadt – und was nicht? Was bewegt ihr Leben oder was wollen sie bewegen? Menschen erzählen über ihre Leidenschaften, Lieblingsorte und ihr Leben in unserer Metropole. Wir fragen Uwe Jens Neumann von Hamburg@work, Spezialist für Digitalisierung

Nach seinem Studium an der Universität der Bundeswehr in Hamburg hat Uwe Jens Neumann gleich in seinem ersten Job bei IBM gelernt, was Digitalisierung ist. Damals hieß das noch EDV. Die Unternehmen wechselten, das Thema blieb seine Leidenschaft, auch in den fast siebzehn Jahren als Geschäftsführer bei der Wirtschaftsförderung Hamburg. Heute treibt er die Digitalisierung von Unternehmen in der Stadt mit Hamburg@work voran, sozusagen sein Baby, das er 1997 als Start-up aus der Taufe hob und weiterentwickelte.

Sie leben schon lange in Hamburg und haben ganz konkret mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt zu tun. Was macht für Sie Hamburg aus?

Hamburg ist eine Stadt, die wächst und die wirtschaftlich interessant ist. Im Alter von zehn Jahren bin ich mit meinen Eltern nach Hamburg gekommen und bin hier hängen geblieben. Selbst als ich weltweit unterwegs war, gab es mindestens immer eine kleine Wohnung hier. Hamburg war für mich Wohn- und Arbeitsort. Als ich Geschäftsführer bei der Hamburger Wirtschaftsförderung wurde, hat sich allerdings mein Blick auf die Stadt komplett verändert. Da ging es nämlich um wirtschaftliche Faktoren, mit denen man Unternehmer begeistern kann, nach Hamburg zu kommen und hier zu investieren. Damals begannen die Digitalisierung der Hamburger Wirtschaft und der Bau der HafenCity. Beides hatte eine positive Wirkung.

Was stand im Fokus der Wirtschaftsförderung?

Als ich 1999 in die Wirtschaftsförderung eintrat, schien Hamburg als Medienstadt an Bedeutung zu verlieren, Berlin war als Hauptstadt attraktiv. Andererseits hatten sich hier bereits seit 1995 einige Internetunternehmen angesiedelt. Die daraus entstehende Konzentration der Neuen Medien war einmalig in Deutschland. Das schien uns geeignet, gemeinsam mit der Stadt ein Netzwerk und die Initiative Hamburg-newmedia@work aufzubauen. Dem damaligen Wirtschaftssenator Thomas Mirow gefiel das, denn damit gab es ein Programm, das als Blaupause auf Clusterinitiativen in anderen Branchen übertragen werden konnte, etwa Logistik, Luftfahrt, erneuerbare Energien. Daran habe ich als Wirtschaftsförderer gearbeitet. Inzwischen gibt es mittlerweile sieben solcher Clusterinitiativen in Hamburg, die als Netzwerk die Unternehmen einer Branche, die Behörden und die Wirtschaftsförderung einbinden.

Und so sind Sie nun ganz bei Hamburg@work. Was machen Sie da genau?

Hamburg@work e. V. gibt es seit 1997, also seit über 20 Jahren. Am Anfang haben wir uns gemeinsam mit der Stadt “nur“ um die Medienbranche gekümmert. Das macht nun eine städtische Initiative der Kulturbehörde, nextMedia.Hamburg, deren Partner wir sind. Wir betrachten heute – losgelöst von einzelnen Branchen – das Thema Digitalisierung und schließen Partnerschaften mit anderen Initiativen und Wirtschaftsclustern. Wir haben 650 Mitgliedsunternehmen und befördern die digitale Transformation in den Unternehmen, bringen die richtigen Menschen dafür zusammen. Das tun wir online und onsite, also in kleinen Frühstücksrunden bis hin zu großen Kongressen, um so die Digitalisierung mit ihren neuen Strukturen voranzutreiben und damit die Diagonalisierung der Wirtschaft und die branchenübergreifende Vernetzung zu fördern.

 

Können Sie ein Beispiel geben?

Nehmen wir einen Bäcker in Hamburg-Nienstedten. Sein Verkauf ist abhängig vom Wetter, an welchen Tagen ein Volksfest vor der Tür stattfindet, wie die Verkehrsströme durch Hamburg geleitet werden und wie die Menschen in dem konkreten Stadtteil gerade so drauf sind. Diese Kriterien lassen sich in Daten messen und mit Voraussagen analysieren. Der Bäcker in der Innenstadt hat andere Kriterien. Tausende von Faktoren beeinflussen den Verkauf. Wenn der Bäcker in der Lage ist, diese Daten über Algorithmen auszuwerten, kann er seine Produktion, Lagerhaltung und Lieferung daran orientieren. Große Unternehmen, wie etwa die Flensburger Brauerei, nutzen schon längst Big Data. Hamburg@work überlegt zum Beispiel gemeinsam mit Unternehmen, welche digitalen Querschnittstechnologien fürs einzelne Unternehmen sinnvoll wären. Dabei geht es auch um die Gestaltung der Unternehmenskultur und der Arbeitsprozesse, etwa vor Ort oder im Homeoffice, um Veränderungen in der Gesellschaft oder um Regeln, die der Gesetzgeber ändern oder neu schaffen muss. Die Technologie ist dabei immer der treibende Faktor.

Wo steht Hamburg denn inzwischen, wie ist die Stadt aufgestellt?

In den letzten zwanzig Jahren hat sich vieles sehr positiv entwickelt. Zwar wird der Bekanntheitsgrad Hamburgs im Ausland durch viele Hamburger immer noch maßlos überschätzt, aber er hat immerhin stark zugenommen. Das zieht Unternehmer in die Stadt, die Arbeitsplätze schaffen, auch für Bürger, die schon länger hier sind. Es zieht aber auch junge Leute hier her, die die Stadt ganz anders aufladen. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Hamburg die meisten Start-ups in Deutschland. Ich kann verstehen, dass einige fürchten, dass Hamburg nur zugebaut wird, ohne dass die entsprechende Infrastruktur geschaffen wird. Man muss ein Mittelmaß finden. Wenn Hamburg von 1,8 Millionen tatsächlich auf zwei Millionen Einwohner wächst, dann braucht die Stadt schlaue Lösungen für ihre Infrastruktur, von den Schulen bis zum Flughafen. Mega-Cities wachsen erst mit mehreren Millionen Menschen in der Metropolregion zusammen. Davon ist Hamburg meilenweit entfernt.

Wie könnten schlaue Lösungen für die Infrastruktur aussehen?

Das Stichwort heißt Smart City, also durch Digitalisierung die Stadt intelligent steuern, etwa Verkehrsströme anders lenken oder neue Möglichkeiten für den Transport finden. Die Infrastruktur sollte nicht nur wachsen, sondern auch besser genutzt werden. Die Technik ist da und es gibt viele Einzelinitiativen in Hamburg, die zusammenwachsen. Eine ist Smart Square. Die Aufgabe von Hamburg@work ist dabei, Unternehmen mit ihrem Know-how in die wissenschaftlichen Projekte der HafenCity Universität einzubinden. Konkret geht es um die Erforschung der Verkehrsströme am Domplatz, um etwa eine bessere Anbindung von City und HafenCity zu generieren. Aber das ist nur ein kleines Beispiel. Verfolgen Sie mal, was die Port Authority oder der HVV in Sachen Digitalisierung vorantreiben.

Was sind die größten Herausforderungen bei solchen Vorhaben?

Wir müssen zum Beispiel in den Projekten die sektorale Struktur der öffentlichen Hand überwinden. Noch stehen die einzelnen Behörden für Wirtschaft, Gesundheit, Schule, Wissenschaft und so weiter nebeneinander. Digitalisierung funktioniert aber nur, wenn es Querverbindungen gibt, und wir die Kompetenzen aus der einen Schublade mit denen aus der anderen unbürokratisch kombinieren. Der Senat muss eine Möglichkeit für diese Durchlässigkeit schaffen, für die sogenannte Diagonalisierung. Die Wirtschaft tut das auch. Elemente aus der einen Branche lassen sich auch in anderen nutzen, künstliche Intelligenz oder virtuelle Realität dagegen in vielen unterschiedlichen Branchen. Aufgabenbereiche vermischen sich und die Grenzen zwischen den Branchen oder Behörden verschwinden. Die Unternehmen erfahren das gerade, und die Stadt muss Lösungen finden, damit sich die Grenzen dazwischen auflösen. Die Digitalisierung erfasst das große Ganze.

Wie lässt sich das erreichen?

Es geht dabei immer auch darum, Wissen und Bewusstsein zu schaffen, bei  Unternehmern, den Mitarbeitern, den Politikern, den Bürgern. Unser schönstes Projekt für diese Vermittlung ist die Zukunftskonferenz, unser Future Summit, wie er im vergangenen Jahr auf Kampnagel zum ersten Mal stattfand. Dort konnte man sich damit auseinandersetzen, wie die Welt morgen aussieht, was es schon gibt, was wir tun müssen, um dahin zu kommen. Denn all diese Entwicklungen funktionieren nur, wenn die Menschen es wollen und mitziehen. So kann Smart City durch die Vernetzung der Daten behördliche Prozesse vereinfachen. Es gibt die Vision einer digitalen Stadt, die dem Bürger das Leben viel angenehmer macht als bisher.

Und ganz analog – haben Sie Lieblingsorte in der Stadt?

Fischbrötchen essen am Elbstrand, durch die Parks streifen oder auf dem Wasser unterwegs sein, ist für mich Erholung pur. Da ist dann tatsächlich nicht mehr viel mit digital.

Haben Sie ein Lebensmotto, Lieblingszitat, Lieblingsschnack?

Ich versuche immer Wege zu finden, etwas zu ermöglichen, auch wenn es dazu Umwege braucht. Dabei versuche ich Spielräume auszuloten, wie weit ich mich etwa zwischen den Treppengeländern bewegen kann, ohne sie als Hilfestellung zu benutzen oder wieweit ich mich darüber lehnen kann, ohne runterzufallen. Ein wenig Mut gehört zum Leben, zur Stadt und zur Wirtschaft. Das gilt auch für die Digitalisierung.

 

Autorin: Herdis Pabst
Titelfoto: Uwe Jens Neumann © Martina van Kann
Foto: Hamburger IT Strategietage 2018 © Hamburg@work by Christian Augustin

29. August 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg verbindet, Mein Hamburg, Tatkraft

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