Logistik: Smarte Lieferung bis zur letzten Meile

Als lebendige Organismen müssen Städte fortwährend mit Waren und Dienstleistungen versorgt werden. Straßen sind dabei die Lebensadern. Hamburg ist eine führende Logistikmetropole, der Umschlag von Gütern gehört zum Tagesgeschäft. Prof. Jan Ninnemann ist Geschäftsführer der Hanseatic Transport Consultancy und hat ein Modellprojekt für Lieferlogistik in Hamburgs Innenstadt begleitet. Er kennt die Chancen und Herausforderungen auf dem Weg zur smarten letzten Meile.

Herr Ninnemann, was lässt den Wirtschaftsverkehr auf unseren Straßen so stark anwachsen?

Es gibt drei große Treiber für den wachsenden Logistikverkehr auf der letzten Meile. Das Wachstum im E-Commerce ist deutlich spürbar. Momentan werden in Deutschland pro Jahr drei Milliarden Pakete aus Online-Bestellungen ausgeliefert, Tendenz steigend. Das kann man auch gut an seinem eigenen Kaufverhalten beobachten.

Was sind die beiden anderen Treiber?

In den Innenstädten steigen die Ladenmieten immer weiter, zudem können sich die Shops heutzutage keine riesigen Lager mehr leisten. Gerade kleinere Läden bekommen ihre Lieferungen deswegen nicht mehr zweimal pro Woche, sondern stocken ihr Angebot nach Bedarf mit mehreren, kleinen Paketen am Tag auf. Obendrauf kommen noch die Einkäufe per „Click and Collect“, die ich mir als Kunde im Netz bestellen, aber im Shop abholen und anprobieren kann. Die Größe der einzelnen Sendungen nimmt ab, dafür wird die Zustellfrequenz höher.

Um diese Lieferungen besser zu organisieren, haben Sie gerade ein Modellprojekt mit sogenannten Mikro-Hubs ausprobiert. Wie kommt die Ware in diesem Fall zu den Shops?

Im Grunde ist ein Mikro-Hub nichts anderes als eine sehr kleine, dezentrale Lagerfläche für Pakete, die ganz unterschiedlich aussehen kann. Wir reden hier über Größen von 10 bis 30 Quadratmetern. In unserem Modellprojekt hat die Firma UPS kleine Container in einem großen Depot beladen, wie ein ganz normales Lieferfahrzeug. Diese Container werden dann aber an einem Punkt in der Stadt abgestellt und die Pakete von dort aus zu Fuß, mit dem Lastenrad oder Cargo-Bikes an die Shops ausgeliefert.

Was ist bei dieser Lösung der Vorteil?

Statt den ganzen Tag mit einem großen Lieferwagen durch die Stadt zu fahren, kann man die Lieferung auf der letzten Meile also mit kleinen, umweltfreundlichen Transportmitteln organisieren. So ein Mikro-Hub könnte aber auch in einem leerstehenden Ladengeschäft, in einer Garage oder einem Kellerraum entstehen.

Kann man schon sagen, was die Mikro-Hubs zur Entlastung des Verkehrs und der Umwelt beitragen?

In unserem Modellprojekt haben wir das Ganze mit vier Fahrzeugen ausprobiert. Aber man kann sich vorstellen, wie das Konzept im größeren Maßstab Straßen und Umwelt entlastet: Jedes größere Lieferfahrzeug ist am Tag zehn bis zwölf Stunden in der Innenstadt unterwegs und muss irgendwo an der Straße oder im Parkraum abgestellt werden. Dieser zusätzliche Verkehr bringt auch mehr Emissionen und ein höheres Unfallrisiko mit sich.

Haben Sie noch andere Wirkungen feststellen können?

Der psychologische Effekt lässt sich zwar nur schwer in Zahlen messen, aber viele Stadtbewohner empfinden den ständigen Lieferverkehr als sehr störend. Mit den Mikro-Depots kann man also schon eine große Belastung aus dem Stadtraum entfernen.

Prof. Dr. Jan Ninnemann, HSBA, zu den Ergebnissen der Studie

Werden dann in Zukunft einfach mehr Geschäfte in Hamburg von Mikro-Hubs versorgt?

So einfach lässt sich das Problem leider nicht lösen. Für die Kurier-Express-Paket-Dienstleister (KEP-Dienstleister) muss das Konzept vor allem wirtschaftlich sinnvoll sein.

Was bedeutet das?

Das heißt, die Standorte für Mikro-Depots sollten möglichst günstig sein. Doch in der Hamburger Innenstadt gibt es nur wenige, teure Flächen. Die Container-Lösung ist keine auf Dauer. Und natürlich kann man auch nicht die ganze Stadt mit Mikro-Hubs zupflastern. Sie können nur ein Baustein für smarte Logistik sein. Die echte Herausforderung besteht darin, einen Mix aus vielen Maßnahmen zusammenzustellen. Dazu bedarf es aber auch neuer Weichenstellungen in Politik und Verwaltung.

Was würden Sie sich für die Logistik der Zukunft von der Stadt wünschen?

Es gibt eine so große Vielzahl an Themen, dass wir im Grunde einen Koordinator für die Logistik auf der letzten Meile brauchen. Da sind Genehmigungsrecht oder Nutzungsvorschriften für den öffentlichen Raum sowie Denkmal- und Brandschutz, um nur einige zu nennen. Unser Koordinator sollte vor allem gut mit den Behörden der Stadt vernetzt sein, um den politischen Willen für innovative Logistik-Konzepte bis an den letzten Schreibtisch in jeder Genehmigungsbehörde zu tragen.

 

 

Autorin: Julia Barthel
Titelfoto: Abschlusskonferenz Last-Mile-Logistics Hamburg © Logistik-Initiative Hamburg / Ines Schaffranek
Foto: Prof. Dr. Jan Ninnemann, HSBA, zu den Ergebnissen der Studie © Logistik-Initiative Hamburg

21. Februar 2018 von Redaktion

Kategorien: Hamburg wächst, Wissensdurst

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