Bedürfnisanstalt

Dringendes Kunstbedürfnis

Größenmäßig ist die Galerie nur eine halbe Portion. Trotzdem kommen Kunst-Interessierte in der „Bedürfnisanstalt“ voll auf ihre Kosten.

Es ist gar nicht der Ort, an dem man so etwas erwartet. Das ist Susanne Lohberg bewusst. „Die Bedürfnisanstalt“ liegt zwischen Straßenkreuzung und Fußballplatz in einem Ottenser Wohngebiet. Leute, die Kunst suchen, kämen nicht ohne weiteres vorbei. Und doch hat sich das ungewöhnliche Backsteinhäuschen im vergangenen halben Jahr zu einem lebendigen Ort der Kultur entwickelt.

„Das Gebäude besteht aus einem tollen Ziegelstein, Fenster und Proportionen sind wunderschön“, sagt die Architektin, die heute im Webdesign-Bereich tätig ist. Oft sei sie am Häuschen aus den 1920er-Jahren vorbeigegangen. Die frühere Straßenbahnwartehalle mit Toiletten habe sie mehr interessiert als die Kunstprojekte, die darin stattfanden.

Kulturgenuss auf 34 Quadratmetern

Als die ursprünglichen Betreiber aufgaben, hat Susanne Lohberg mit Kunstinteressierten aus ihrem Bekanntenkreis die ungewöhnliche Galerie kurzentschlossen übernommen. Seit November 2013 veranstalten sie auf den 34 Quadratmetern der zwei Etagen wechselnde Ausstellungen – nicht kommerziell.

Schwierigkeiten, Nachschub zu finden, haben sie nicht. Alle sechs Mitglieder der Gruppe sind gut vernetzt und kennen viele Kreative. Die Kosten für die Künstler sind gering.

Künstler haben alle Freiheiten

Das Team wählt aus und kündigt die Ausstellungen auf der Webseite der „Bedürfnisanstalt“ und via Facebook an. „Auf die Präsentationen nehmen wir keinen Einfluss“, erklärt Susanne Lohberg.

Der Künstler oder die Künstlerin entscheiden über die Öffnungszeiten, sorgen für Werbung und sind für die gesamte Gestaltung der Ausstellung verantwortlich. Dabei zeigten sich enorme Unterschiede. Manche hängen ihre Bilder einfach an die Wände und kleben Info-Zettel an die Scheibe. Andere verwenden größte Sorgfalt auf sämtliche Aspekte der Darbietung.

Künstlerische Biotope in Ottensen

So treffen die Besucher der „Bedürfnisanstalt“ nicht allein auf die Bilder, die Fotografien oder Objekte. In den unterschiedlichen Präsentationen zeige sich auch die Handschrift, die Persönlichkeit der Künstler. „Wir zeigen hier wechselnde künstlerische Biotope“, ist Susanne Lohberg überzeugt.

Die meisten Ausstellungen laufen ein bis zwei Wochen, selten länger als vier. Mit ihrem Konzept aus häufigem Wechsel, kontrastreichen Ausstellungen und starker Vernetzung erregt die kleine Galerie zunehmend Aufmerksamkeit. Es kommen immer mehr Leute, aus der Nachbarschaft, aber auch von außerhalb. Vor kurzem war schon das Fernsehen da.

Kommerzialisierung ausgeschlossen, Kostendeckung reicht

„Wenn es so weitergeht“, scherzt Mitstreiterin Jeanne Barnier, „läuft die ‚Bedürfnisanstalt’ bald von ganz alleine.“ Die Kommerzialisierung als nächste Stufe ist für Susanne Lohberg und Jeanne Barnier dabei unvorstellbar. Das Ziel sei im Idealfall die Kostendeckung – und dem seien sie bereits sehr nahe.

Vor allem aber ist die „Bedürfnisanstalt“ ein Experimentierfeld für Künstler und Veranstalter. „Wir wollen hier spielen“, sagt Jeanne Barnier, die als Französischlehrerin und Übersetzerin arbeitet. „Und wir wollen Erfahrungen machen“, ergänzt Susanne Lohberg, „man weiß ja nie, was im Leben kommt.“

Autor: Hilmar Schulz
Headerfoto: Hilmar Schulz / Die Organisatorinnen Jeanne Barnier (links) und Susanne Lohberg vor der „Bedürfnisanstalt“

16. Juni 2014 von Redaktion

Kategorien: Hamburg künstlert, Kulturgenuss

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