Mein Lieblingsort: Fensterplatz in der U3

Hamburgs schönster Ort ist ein Fensterplatz rechts in der U3. Von Kellinghusenstraße Richtung Hauptbahnhof bietet die Strecke gegensätzliche Attraktionen.

Ab der U-Bahn-Station Kellinghusenstraße verkehrt der Zug noch als Hochbahn und fährt sehr nah an den Eppendorfer Häusern entlang. Über einen Kilometer kann man direkt in die vielen Wohnungen hineinschauen.

Sie wirken wie Puppenstuben, besonders im Winter in der Dämmerung, wenn das Drumherum versinkt und die Fenster erleuchtet sind. Manchmal strahlt nur eine Neonröhre in ein karges Zimmer. In den Jugendstilhäusern entlang der Isestraße dagegen beleuchtet warmes Licht das Idyll.

Perlenkette aus Wohnstuben und Esszimmern

Mir fällt kein anderer Platz ein, von dem aus solche Einblicke möglich sind. Die könnten unverschämt und anstößig sein. Doch einerseits neigen die Bewohner dazu, auf Vorhänge zu verzichten und stellen sich damit selbstbewusst den Blicken der Vorbeifahrenden.

Andererseits verkürzt die Geschwindigkeit der Bahn die Beobachtung auf einen Augenblick: Die Bahnreisenden erleben eine Perlenkette aus Wohnstuben und Esszimmern – gerade da, schon vorbei. Übrigens ist die Perspektive offenbar nicht umkehrbar: Nie beobachtet aus den Wohnungen ein Mensch die Passagiere hinter den Fenstern der vorbeifahrenden Bahn.

Freier Blick auf Elbe, Werften und Schiffe

Beim Schlump taucht die U-Bahn unter die Erde und für drei Stationen kann man die Augen schließen. Aber hinter St. Pauli aufgepasst! Unvermittelt geht es ins Freie, die Bahn schwenkt in die Station Landungsbrücken ein und wer in einem der vorderen Waggons sitzt, hat jetzt freien Blick auf Elbe, Werften und Schiffe.

An einem sonnigen Vormittag ist der Kontrast vom Tunneldunkel zu gleißendem Funkeln des Wassers atemberaubend. Viel Zeit für die spektakuläre Szenerie bleibt nicht. Bis zur Kehrwiederspitze verläuft die Strecke auf den 100 Jahre alten Stahlstelzen direkt am Fluss, biegt dann hinterm Baumwall links ab – und verschwindet in der Erde.

Autor: Hilmar Schulz

Dieser Beitrag ist Teil der HAMBURG schnackt! Aktion MEIN LIEBLINGSORT. Auf der Aktionsseite finden Sie weitere Informationen und Lieblingsorte in der interaktiven Hamburg-Karte. Sie haben auch einen Lieblingsort? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail oder besuchen die Lieblingsort-Gruppe. Dies ist ein Lieblingsort von:
HILMAR SCHULZ,
JOURNALIST
Hilmar Schulz fährt eigentlich nicht so gerne mit der U-Bahn, sondern erkundet Hamburg am liebsten zu Fuß und mit dem Rad. Denn nur so, sagt er, gelangt man auch zu den unzugänglicheren Orten, den besonderen Plätzen und den besonderen Menschen. Den Lieblingsplatz in der U3 und auch sein Foto an der mecklenburger Küste verdankt er übrigens seiner Freundin Yvette.